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Ich über mich | Olympia 1972 |
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Texte |
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Auf Deutsch oder Englisch
oder was?
Bilanz eines Sprachversuches Stuttgarter Zeitung vom 17.9.2002 Geschafft! Zumindest für eine Ausgabe hat die Stuttgarter Zeitung auf "denglische" Wörter verzichtet. Die Resonanz war riesig. Nicht nur deshalb will die StZ künftig versuchen, auf Anglizismen zu verzichten.Auch wenn das Experiment sprachliche Grenzen aufgezeigt hat. Von Marcus Sander Zugegeben: die Skepsis in
der Redaktion war groß. Bange Fragen
schon lange vor dem Tag X. "Eine Zeitung ganz ohne Und wie? Am Freitag, dem Produktionstag X, brauchte vor allem die zuständige Kulturredakteurin viel Fantasie. Sie hexte aus dem Wort Casting schnell Auswahl der neuen Ensemblemitglieder, und die Fernsehrubrik "Zappen und Zoomen" veränderte sie flink in "Hin und her". Doch wie sollte sie Musical übersetzen? Etwa in Tanzspiel mit Gesang? Um Himmels willen, nur das nicht! Sie entschied sich dafür, das Wort ersatzlos zu streichen, in der Hoffnung, dass die Leser schon wissen würden, um welches Genre es sich beim "Tanz der Vampire" handelt. Mit dem Wort Musical hatte auch die StZ-Kreisredaktion Ludwigsburg zu kämpfen. Aus dem Musical-König Rolf Deyhle machte sie den Musiktheater-König - na ja. Sprachabenteuer der besonderen Art Sprachabenteuer der
besonderen Art durchlebte die Wirtschaftsredaktion.
Auch hier rauchte mancher Schädel: Aus dem Aktiencheck wurde Aktie
unter der Lupe. Klang ein bisschen betulich, aber was soll's? Aus Chips
wurden Speicherelemente. Plötzlich flatterte die Nachricht ins
Haus,
dass der Telefongesellschaft Mobilcom das Aus droht - eine Steilvorlage
für Fehler. Einen relativ geruhsamen Denglisch-Nachmittag verbrachten dagegen die Außenpolitik und das Südwest-Ressort: "Denglisch- Wörter machen uns seit jeher Pickel", hieß es hier. Und dort: "Wir mussten regelrecht nach solchen Begriffen suchen." Die Korrekturabteilung, die letzte Sprachinstanz, entdeckte übrigens nur einen Fehler und formte Rüstungslobbyist um zu einem Interessenvertreter der Rüstungsindustrie. Da das Wort etwas länger war, musste eben an anderer Stelle gekürzt werden. Viel Zuspruch Dass die Aktion so viel Zuspruch finden würde, hatte im Haus niemand ahnen können. Der StZ- Chefredakteur Peter Christ stand bereits am Freitag und Samstag Rundfunksendern aus der ganzen Republik Rede und Antwort. Das Medien-Fachmagazin "Kress-Report" startete sogar eine Blitzumfrage im Internet: 46 Prozent der Befragten begrüßten die Aktion und meinten: "Das soll Schule machen." Nur 28 Prozent befanden "das ist Quatsch." Und Klaus-Peter Schmidt von der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" fand die Idee "großartig". Zahlreiche Zuschriften erreichten bisher die Redaktion. Ein Leser, der sich am Sonntag wortreich in der Redaktion beschwerte und in der Aktion nichts als deutsche Volkstümelei sah, blieb aber die Ausnahme. Albrecht Weller etwa aus Stuttgart war vor allem vom StZ-Lexikon begeistert: "Ich werde mir die ganzen Erklärungen ausschneiden." Gerda Mack fand die Aktion "cool, besser gesagt: einfach superklasse". Friedhelm Gölzer aus
Urbach will nun selbst "etwas mehr auf die
eigene Umgangssprache achten". Und Ulrich Epple schlägt vor, aus
dem
"Experiment einen Langzeitversuch zu machen". Der Selbstversuch soll
keine Eintagsfliege bleiben, meint Peter Christ: |