Sprachgesetz is ridiculous
Wider die Anglizismen - Ein unsäglicher Kommentar und die 
Antwort darauf
Die Jägermeisterweisheiten der New Economy
Welcome in Blabylon
taz 8.2.2001
Wochenpost Essen 24.4.01

Die Welt 18.6.2001
Der Spiegel 16.7.2001

Die Berliner "taz" berichtet am 8.2.2001 über eine erstaunliche RTL-Umfrage:
                               Sprachgesetz is ridiculous 
    Die Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) wehrt sich gegen ein Sprachgesetz. 
    "Wir sind strikt dagegen, diesen Bereich staatlich zu regeln", sagte GfdS-Präsident Rudolf Hoberg gestern.  Entsprechende Forderungen kämen meistens von  Leuten, die aus dem "hohlen Bauch" heraus  entschieden. Wissenschaftliche Untersuchen hätten  belegt, dass sich der Gebrauch von Anglizismen weitgehend auf bestimmte Bereiche wie die Werbung und die Jugendsprache beschränke. In einer Umfrage des RTL-Mittagsjournals hatten sich 62,3 Prozent der Zuschauer dafür ausgesprochen,  Fremdwörter per Gesetz zu verbieten. 37,7 Prozent  lehnten den Vorstoß, den Innensenator Eckart Werthebach (CDU) vor gut einer Woche unternommen hatte, ab. 
     

    - RTL nimmt also offensichtlich seine eigenen Zuschauer nicht ernst... 

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Si tacuisses...!
         Hätt'ste bloß den Mund gehalten, als von Sprache die Rede war!
 
Wider die Anglizismen

Sorgen haben die Menschen!? Da fehlen an nordrhein-
westfälischen Schulen Tausende von Lehrern und der

Verein Deutsche Sprache e.V. (VDS)  fordert eine

Reform der Umgangssprache
, ohne die seiner Meinung
nach überflüssigen Fremdwörter. Nein, ganz so einfach
macht es sich der Verein doch nicht. Es sollen vorrangig

die Anglizismen sein, die aus dem deutschen Sprachgebrauch
ferngehalten werden sollten. 


Eine wahrhaft faszinierende Logik! Wenn z.B. 6000
Polizisten fehlen, darf ich dann keine Geschwindigkeitsbeschränkung mehr fordern???



Null Ahnung!  Es geht überhaupt nicht um Fremdwörter

im klassischen Sinn, sondern um Wörter, die  völlig
überflüssig deutschen Wörtern übergestülpt werden, weil

man ohne jedes Verständnis für Sprache Englisch für
"moderner" hält...! Als ob die aktuelle Sprache eines 

Volkes unmodern sein könnte! (vgl. "Briten haben Angst" 8.10.01)
Da könnte man sich doch glatt ein wenig zurück- 
legen und dem Gefühl nachhängen, stolz darauf 
zu sein, ein Deutscher zu sein. Aber das eine scheint
genauso wenig spaßig zu sein wie das andere. Denn
der VDS meint es offensichtlich ernst. Auf der Homepage
www.vds-ev.de wird aufgerufen zur 'Anglizismen-Aktion'. 

Die Gleichung deutsch sprechen = rechtsradikal sein ist so blöd und bösartig, dass sie nicht kommentiert zu werden braucht.
An dieser Stelle stutzt der interessierte Leser das erste 
Mal. Sollte dem VDS da etwas durchgegangen sein, 
indem er seine Aktion nicht - was uns richtiger- 
weise einfiele - 'Anti-Anglizismen-Aktion' nennt?
Es geht, wie dann der weitere Text aufklärt, dem 
VDS darum, überflüssige Fremdwörter englischer 
Herkunft herauszufinden und zu diskriminieren. 
 

Mir kann überhaupt nichts "richtigerweise" einfallen; ich kann
allenfalls das, was mir eingefallen ist, nachher als richtig erkennen. - 
 
Anglizismen-Aktion impliziert (verstehen Sie das Wort, 
Herr Thomas?), dass es eine Aktion im Zusammenhang 
mit Anglizismen gibt, mehr nicht; denn Aktion heißt 
keinesfalls per se eine Handlung "gegen" etwas. ---


Damit schließt sich die Frage an, warum und 
wieso und vor allen Dingen wie sollen wir
mittlerweile zu unserem Sprachbrauchtum(???)
gehörende Wörter anders, insbesondere 
deutsch, ausdrücken [Fragezeichen! wenn's 
eine indirekte Frage sein soll, ist der Satzbau 
falsch...

Eine Frage schließt sich an etwas an, nicht mit etwas.---
Ja, mein Gott, wie soll man aber auch erwarten, dass ein Deutscher
etwas in seiner Muttersprache ausdrücken kann??? Was hat man
nur früher ohne "City Call,  Kids' Department, Funeral Master,
downloaden" usw.usw. gemacht? Wie haben unsere Frauen bloß
vor ein paar
Jahren noch Kleidung kaufen können, als es nur Damenbekleidung gab und keine "Women's Wear"???


Überrollt uns da plötzlich die Nationalstolzdebatte quer 
durch die Brust von hinten? Oder will man angesichts 
einer drohenden Multikultigesellschaft zumindest die 
deutsche Sprache als Plattform für unser Vaterland 
retten? 

Dieses "Sprachbild" ist abenteuerlich! Ich stelle mir 
gerade vor, wie eine Debatte mich von hinten durch 
die Brust überrollt...

Der Sinn, die Globalisierung durch Internet, wachsenden
Handel, Freizügigkeit des Reisens und die unbeschränkte
Kommunikation rund um den Erdball aufhalten zu wollen,
erschließt sich jedenfalls dem flüchtigen Betrachter nicht.


Ja glauben Sie denn im Ernst, es wird auch nur ein Vertrag mehr abgeschlossen,weil der deutsche Vertragspartner sich dieses
Kauderwelschs bedient? Und die hier insinuierte Zweckbestimmung
ist einfach absurd - viele VdS-Mitglieder sprechen nicht nur mehrere Fremdsprachen, sondern sind auch vielfach international tätig!--

Ein "flüchtiger Betrachter" ist ein Betrachter auf der 
Flucht - also eine ähnlich gelungene Wortfügung wie der "saure Milchverkäufer" oder der "vierstöckige Hausbesitzer". 


Und damit kehren wir zu den Anfängen zurück. Wäre 
es nicht ungleich sinnvoller, dass sich der VDS dafür
stark macht, dass alle, die  in unserem Land leben, 
Lesen und Schreiben können. [Fragezeichen!]
Und das unabhängig davon,  ob da im täglichen
Sprachgebrauch eventuell auch Fremdwörter, welcher
Herkunft sie auch immer sein mögen, enthalten sind?

Walter Thomas

WOCHENPOST ESSEN  24.04.01

Im Gebrauch kann gar nichts enthalten sein, höchstens in 
der Alltagssprache: Sprache als ein Sammelprodukt kann
etwas enthalten, nicht aber der Gebrauch als Tätigkeit.

Man darf in der Demokratie eine Meinung haben, aber man muss nicht. Wenn man keine Ahnung hat, einfach
die Fresse halten... 
(Dieter Nuhr)
Wer selbst dermaßen schludrig mit Sprache umgeht und dermaßen miserabel recherchiert, sollte vielleicht doch besser den Mund halten, wenn von Sprache die Rede ist.

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DIE WELT 18.06.2001


Die Jägermeister-Weisheiten der New Economy
Anglizismen, Fachchinesisch, Unternehmersprüche: Zwei Lexika über das Internet und die Tele-
kommunikation auf unterschiedlich hohem Niveau - Buchtipp 

Von Lutz Frühbrodt 

Trendforscher spüren meist keine Trends auf, sondern produzieren oft nur heiße Luft, die sie dann 
für teures Geld verkaufen. Das Hamburger Trendbüro hat dagegen immerhin ein "Wörterbuch der 
New Economy" produziert, das es zusammen mit dem Duden-Verlag für 24,90 DM verkauft und 
damit eindrucksvoll demonstriert, wie viel heiße Luft sich in der New Economy oder zumindest in 
deren Jargon befindet. 

Die Terminologie der - im übrigen selbst nicht definierten - New Economy haben die Trendbüro- 
kraten über fünf Felder mit den illustren Bezeichnungen E-Conomy, Work Culture, New 
Marketing, Knowledge-Management und Life Sciences verstreut, was bereits das Haupt- 
problem in aller Deutlichkeit aufzeigt: Es wimmelt nur so von Anglizismen, hinter deren wichtig
klingender Fassade oft wenig steckt. So lernen wir zum Beispiel, dass "Muddling through" auf
Deutsch "Durchwursteln" bedeutet und dies in der  New Economy eben besonders häufig der 
Fall sei. Besonders ärgerlich beim Durchwursteln durch das Wörterbuch ist jedoch, dass alle 
paar Seiten grinsende Unternehmergesichter Banalbotschaften wie "Neue Geschäftsmodelle
haben ungeahntes Potenzial für die Zukunft" verkünden. 

Das lässt nicht nur Erinnerungen an den Old-Economy-Klassiker "Ich trinke Jägermeister, weil ..."
wach werden, sondern entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie, weil aus manchem Helden, der 
uns von den Seiten des Lexikons entgegenstrahlt, inzwischen ein gefallener Engel geworden ist.
Offensichtlich ist das Trendbüro hier Opfer eines frühen Redaktionsschlusses geworden, so dass 
die neuesten Trends nicht mehr berücksichtigt werden konnten. Folglichfehlen Begriffe wie Pink- 
slip-Party - die Feier, bei der gerade entlassene New- Economy-Kräfte gleich vom nächsten 
Arbeitgeber abgeworben werden - und vor allem das noch aktuellere forced vacation, der vom
Arbeitgeber verordnete Zwangsurlaub im Zuge der Internet-Krise. 
Unter dem Strich bleibt allerdings auch die nüchterne Erkenntnis, dass die neue Begrifflichkeit nun 
einmal angelsächsischen Ursprungs ist und noch einer Eindeutschung harrt.[...]
Das große Plus des Buches: Die Begriffe werden im Großen und Ganzen für den Laien verständlich 
erklärt. Wobei sich zuweilen aber auch kleinere Ungenauigkeiten einschleichen. Ausgeglichen wird 
dieses Manko durch den Umstand, dass das Wörterbuch - um im Bilde zu bleiben - fairly 
entertaining ist. Kurzum: Es macht einfach Spaß, darin zu blättern. 

Trendbüro (Hg.): Wörterbuch der New Economy. Dudenverlag, 
Mannheim 2001, 288 S., 24,90 DM. 

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DER SPIEGEL vom 16.7.2001, Nr. 29 

Welcome in Blabylon 

Alberne Anglizismen überspülen das Deutsche und erzeugen einen Mischmasch namens Denglisch. Für die einen ist das ein Zeichen neuer Weltoffenheit, andere wollen sogar mit einem Abwehrgesetz die Muttersprache retten. Globalisierung und Internet fordern wie nie zuvor die Sprache heraus. 

Erst geht die alte Fußballherrlichkeit zu Grunde, dann wird die D-Mark verschwinden, und nun, armes Deutschland, auch das noch: "Fuck deutsche Sprache". Das, Pardon, Grafficko, stand bis vor kurzem (Entfernungskosten: 16 000 Mark) an der Wand des Berliner  Otto-Suhr- Instituts (OSI). Die Sprache des Faust, des Knaben Wunderhorn und des Lieds vom Brunnen vor dem Tore ist zum Ziel  vulgärer Beschimpfung geworden, eine neue Eskalationsstufe ist  damit erreicht. Es geht nicht mehr nur um die seit Jahren geführte Diskussion, ob Deutsch angesichts immer neuer Wellen von Angli- zismen noch eine Zukunft hat. Der Disput gewinnt ideologisch an Schärfe und droht aus den heiligen Hallen von Akademien und wissenschaftlichen 
Zirkeln auszubrechen. 

Die jetzigen Vorgänge am Berliner OSI erinnern von außen an 68erZeiten, in denen die Dahlemer Politologenausbildungsstätte zum Ausgangpunkt für die Revolte in Deutschland geworden war: Mit Flugblättern, Boykottaufrufen und gesprühten Parolen störte im nun zu Ende gehenden Sommersemester ein kleiner Trupp von Studenten das Blockseminar von Professor Fritz Vilmar, 71, Emeritus der Freien Universität. Die letzte Veranstaltung musste nach Lankwitz ausweichen. 

Vilmars Veranstaltung hatte das Thema: "Die Amerikanisierung der deutschen Sprache als politisches Problem". Ein eher als links einzuschätzendes "Bündnis kritischer Studenten" witterte "impliziten Antiamerikanismus". Dabei ist Vilmar alles andere als ein Rechter. Von 1900 bis 1970 arbeitete er als Bildungsreferent der IG Metall unter Hans Matthöfer, verfocht die 35-Stunden-
Woche und gab noch 1995 ein kritisches Buch über die "Kolonialisierung der DDR" heraus. Nun setzt Vilmar angesichts der "sich zuspitzenden deutschen Sprachmisere" auf "aktiven Sprachschutz". Dass sich da, wie der Dozent Martin Jander dem Professor Vilmar vorhielt, "linke und rechte Zivilisationskritik auf eigentümliche Weise" paarten,  findet der Beschuldigte unerhört: "Kein Jota davon  ist wahr." 

As time goes by, darf man vielleicht noch schnell  vor Inkrafttreten des Sprachschutzes auf gut Denglisch feststellen: Liefen die 68er-Studenten  gegen den amerikanischen Kulturimperialismus Sturm, sehen ihn die heutigen Kommilitonen als Bollwerk gegen "Deutschtümelei" und "völkisch- nationalistische Normalisierung". Und Fuck deutsche Sprache" - wenn das Marx und Engels wüssten, die alle Hauptwerke des wissenschaftlichen Sozialismus auf Deutsch abfassten. They must be turning in their graves. 

Die tumultösen Geschehnisse an der FU spiegeln die zunehmende Gereiztheit beim Thema sprachliche Überfremdung. Noch vor Jahren war auf diesem  Feld mit Humor gestritten worden. In guter Erinnerung ist der Komiker Otto Waalkes. Der juxte mit Nonsense-Übersetzungen: "Love is in the air" hieß ottonisch "Luft ist in den Eiern", und "I am hungry" übersetzte der Friesenschalk: "Ich bin Ungar". Die unübersehbare Notwendigkeit, sich mit der Weltsprache Englisch auseinander zu setzen, konnte die provinzielle deutsche Fröhlichkeit noch nicht erschüttern. 

Solche Gelassenheit änderte sich mit dem Aufkommen von Internet, E-Commerce, New Economy und wie die sprachlichen Heimsuchungen noch hießen.  Mit einem Schlag war die Welt voller Propheten, die Tempo predigten, die Auflösung traditioneller Strukturen verkündeten und die globale Vernetzung von allem mit allem priesen.  Die Sprache der Besessenen war Denglisch, und der Mund ging ihnen über. Es "beamte" und "switchte",  es ging um kreative "Power" und das Bestreben, das Beste noch zu "toppen". Was bloß normal war,  wurde "gehypt", bis es "hip" wurde und irgendwie "kickte". Bloß keine Downer", Vorsicht vor dem "Bashing" durch Miesmacher, "in Charge" sein hieß ranpowern bis zum "Burnout". 

Die Egos bekamen neue Kleider, managten sich selbst, "stylten" sich neu, um ja mit guter "Performance" aufzufallen. Die "E-Lancer", immer cool drauf, hatten Spaß, besser noch "Fun", oder, wenn es die "Gender Studies" erlaubten und man einander beim "Get together" näher gekommen war, good old Sex. Gern wurde jede schnieke Behausung zum "Loft" upgegradet, darinnen sich "relaxen" ließ, auf dass sich "Wellness" und "Fitness" mehrten. 

Klönen und Schwatzen war nicht, die "Time is Money"- Ideologie wertete jedes Beisammensein zum "Brainstorming-Meeting" auf, am besten in einer passenden "Location". Die flotten Jungs und Mäd- chen um die "Startup"-Unternehmungen und ihr verbales Getöse schienen die alte Welt zu verflüssigen. Was fest war, wurde zu Datenströmen weichgeredet, die Probleme verschwanden durch Verknüpfung. 

So bekam die schweißig-mühselige Welt der Arbeit eine unheimliche Leichtigkeit, wenn man sie aus der Perspektive der "Global Player" und des "Shareholder- Value" durchrechnete: Da ließ sich mit ein paar Mausklicks "outsourcen", "leaner" produzieren. Zur Zeit ward schnell der Raum, das Denglisch lieferte die Sprache: "Just in time", die rollende Lagerhaltung, "machte Sinn". Der schöne Sound übertönte so hässliche Wörter wie Stau und Verkehrsinfarkt. Alles "surfte", war "in Motion", "groovte" mit im "Drive" einer von "Analysten" als herrlich bewerteten Zukunft. 

Doch die Party war dann verdammt schnell over. Hässliche, sehr deutsch klingende Wörter wie "Gewinnwarnung", "zerplatzende Seifenblase" und "Überbewertung" besiegelten den Niedergang. Die Euphorie verschwand, ihre sprachlichen Spuren blieben. 

Wie ausgeglühte Wracks stehen die mit der New Economy hineingerauschten Anglizismen nun in der deutschen Sprache herum. 

Manche Adepten des Neusprechs wollen von den schönen neuen Wörtern immer noch nicht lassen. Der Verband der deutschen Internet-Wirtschaft organisiert in Berlin "Pink-Slip- Partys". Da läuft man nicht etwa in rosa Unterhosen herum. Der 
Name leitet sich von den rosafarbenen Briefen ab, mit denen US-Firmen kündigen - selbst in der Krise halten die Ritter der New Economy die Flagge des Denglisch hoch. 

Am ärgerlichsten sind die Ausdrücke, die den Bombast, den Zwangsoptimismus und die Gespreiztheit der in die Krise geratenen flotten Zeiten unironisch zur Schau tragen. Eine der ärgerlichsten Wortleichen ist der "Event". Jede Provinzparty mit 
ein paar Promis und Frauen im Sylter Eisenten-Look bläst sich zum "Event" auf. Fernsehstücke,  die ins Quotenloch zu fallen drohen, werden zu "Event"-Programmen hochgemotzt. Vorreiter waren hierfür die "drei Tenöre": Wenn Placido Domingo  die Goldkehle öffnete und kassierte, klar: ein "Event",  mit der Dreingabe des gewichtigen Kollegen Luciano Pavarotti: ein "Mega-Event". 

Ausgerechnet die Kultur scheint noch immer vom Virus krampfhafter Weltumfassung infiziert und  faselt gern im hohen Ton der Netzpropheten. Der Rundfunksender Klassik Radio schwadroniert denglisch von "First Class Music", "Planet Classic"  und "City Klassik", als müsste man Beethoven in 
den ICE bitten. Sendereigene Eindeutschungen fallen allerdings noch peinlicher aus:  "Kuschelklassik" - seid umschlungen, Bettvorleger. 

Wie immer scheint der öffentliche Sektor noch nicht bemerkt zu haben, dass Denglisch nervt. Die  Hamburger Müllabfuhr kreierte "Waste Watcher" als Namen für ein Sonderputzkommando und musste schwere öffentliche Schelte einstecken. In Berlin soll es für den Nahverkehr einen Billigtarif namens "Power Pricing" geben, den der Kunde wohl nur begreift, wenn er sich im Shop der Berliner Verkehrsbetriebe "BVG Underwear" kauft. 

Im Himmel über Berlin schweben nicht nur Wim Wenders' Engel, die schöne neue Welt geflügelter 
 


 
 
 

Träume hat mitten im Herzen der Metropole auch  einen irdischen Landeplatz. Das neue Bundeskanzleramt verfügt at
the top über eine großzügig verglaste Treppenhausfläche für Empfänge mit einem englischengelhaften Namen: "Sky Lobby". Klar, dass dort die CDU nicht abseits stehen will. Wenn schon das Parteiquartier der Berliner Union über keinen himmlischen Ausblick verfügt, so will es beim Strunzen mit pompösen Namen mithalten: Frank Steffel, frisch gekürter Spitzenkandidat der MetropolenUnion, ließ sich unlängst vor einer Wahlkampftafel
mit der Aufschrift "Powerpoint" fotografieren. 

Solch frischwärts ungebrochene Begeisterung für  die Werbewirksamkeit des Denglischen teilen allerdings nicht alle Politiker. Quer durch die Parteien bildet sich eine Koalition der um die deutsche Sprache Besorgten. FDP-Mann Wolfgang Gerhardt erkannte: "Die Flut von Anglizismen, die aus den Medien, aus der Werbung, aus Produktbeschreibungen und aus dem technikgestützten Paralleluniversum auf uns niedergeht, ist eine Gewalt, die nicht vom Volke ausgeht. Sie wird  ihm aufgepfropft." 

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD)  spricht von "Sprachverhunzung", Antje Vollmer  von den Grünen meint: "Schrille, modische und expertenlastige Anglizismen schließen ohne Not  viele Menschen von der Verständigung aus." Bundespräsident Johannes Rau hält den "inflationären Gebrauch von Amerikanismen in der Werbung und in den Medien" für "albern" und "dumm". 

Allerdings gehen nur wenige Politiker so weit wie der frühere Berliner Innensenator Eckart Werthebach, der ein "Sprachschutzgesetz" mit der Verpflichtung fordert, englische Ausdrücke einzudeutschen. Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin  ist strikt dagegen. Die Welt brauche eine "Lingua Franca", das Englische. Da könne sich der Staat  nicht mit einer Sprachpolizei einmischen. Wer gegen die Vorherrschaft des Englischen opponiere, behindere den globalen Austausch. 

Ein Blick nach Frankreich verstärkt die Skepsis gegen Gesetze zur Reinhaltung der Sprache. Seit 1994 steht dort der unnötige Gebrauch von Fremdwörtern unter Strafe, die ehrwürdige 
Académie française wacht offiziell über die Sauberkeit der Sprache Racines und Balzacs. Wer in der Werbung oder amtlichen Verlautbarungen Fremdwörter benutzt, für die eine adäquate Übersetzung existiert, dem drohen Geldstrafen. 
Und das Land ist unermüdlich im Erfinden von Übertragungen: Der Walkman wurde "baladeur" getauft, der "Hamburger" zum "saucipain" und der Computer zum „ordinateur". 

Die Erfahrungen hier zu Lande mit Eindeutschungen sind unterschiedlich. Der von der Idee der  Aufklärung getragene Widerstand gegen das bei Hofe übliche Parlieren auf Französisch, gegen die Geschwollenheit der Amtssprache des 17. und 18. Jahrhunderts gehört zu den positiven Beispielen sprachlicher Erneuerung. Auch wie der preußische Geist die Bahn deutsch bedampfte, war ein Erfolg: Perron, Billett und Coupé mussten abfahren, Bahnsteig, Fahrkarte und Abteil rollten ein und beglücken den deutschen Bahnreisenden noch 
heute eine deutsche Klarheit, die schmerzlich vermisst, wer schon mal an einem „Informationscenter" vergeblich nach Fahrkarten angestanden hat. 

Dagegen nehmen sich andere Eindeutschungsversuche eher peinlich aus. Schon Goethe und Schiller verspotteten ihren Zeitgenossen und Sprachforscher Joachim Heinrich Campe. Der 
hatte es zwar geschafft, Fraternité, das große Schlagwort der Französischen Revolution, durchschlagkräftig mit Brüderlichkeit zu übersetzen, aber die Damen blieben beim Parfümieren und 
wollten sich nicht von Campe "durchduften" lassen. Die Mumie wurde, eigentlich schade, keine "Dörrleiche" und das Insekt kein "Kerbtier". 

Ob der Airbag als "Prallkissen" die deutsche Zunge munterer macht? Was würde wohl eine Teenagerin denken, wenn sie einer "U20-Mädel" nennen würde? Es wäre bizarr, wenn plötzlich "Hochtongüte" für HiFi stünde, "Tragling" für Baby, "Schienenstürmer" für InterCity-Express und "Fruchtbräu" für Bowle. 

Kein Gesetz und kein teutonischer Übersetzungsingrimm werden etwas dagegen ausrichten, dass sich das Deutsche mit dem Denglischen arrangieren muss. Viel Unsinniges und Verbrauchtes wird die Sprache ohnehin von allein verlassen. Die größten Gefahren  für das Deutsche, aber nicht nur für es allein, bestehen ohnehin im Verlust des Ausdrucksreichtums, weil Wortplomben Bedeutungen aufsaugen. 

Was steckt nicht alles hinter "cool": Kühle, Gelassenheit, Lässigkeit, ein mentaler Widerstand gegen die gerade auf Jugendliche einprasselnden Einordnungsangebote von Medien und Werbung. Aber "cool" wirkt nicht als sprachlicher Staubsauger, weil das Wort englisch ist. "Geil" und "irgendwie spannend" sind ebensolche sprachlichen Überdeckungs- gewächse. 

Schwer trifft die Sprache der zunehmende Verlust an Geschmeidigkeit, an dem allerdings die Anglizismen stark beteiligt sind. Der oder das "Event" steht wie ein unverrückbares Möbel vor der deutschen Zunge: Ich kann nicht eventen. Also müssen hässliche blasse Verben wie "veranstalten" oder gar das Unmenschenwort "durchführen" her, um das Möbel zu rücken. 

Ein nett lautmalerisches Wort wie "chatten" für das Plaudern im Internet engt die deutsche Beweglichkeit ein: Ich chatte ist möglich, aber wohl kaum: die Zeit verchatten oder jemandem etwas nachchatten, was mit dem deutschen Plaudern und Plappern gelingt. 

Kritiker sehen große Herausforderungen an die Kommunikation durch die Benutzung der Computer entstehen. Der Luhmann- Schüler Dirk Baecker, Professor an der Universität Witten/ Herdecke spricht im neuen "Merkur" von Katastrophe: Das Benutzen des Rechners fasziniert und schafft Sinnüberschüsse, die zu bewältigen die Psyche des Benutzers und die sozialen Systeme Schwierigkeiten haben. Dem Bombardement mit Daten steht kein Bewusstsein gegenüber, das über die Güte, den Sinn und die Brauchbarkeit für die eigene Identität entscheiden kann. 

Gefragt ist deshalb eine Sprache der Selbstbeobachtung, die ein Gespür dafür entwickelt, was bei den vielen Antworten aus dem Computer gerade nicht beantwortet wird. Es geht um eine Redeweise, die hinter die Wortungetüme blickt, die einem die Medien an den Kopf werfen. 

Besonders erfolgreich im Kampf gegen sprachliche Überwältigung ist die jugendliche Rap- und HipHop- Szene. Erfunden von den schwarzen Ghettobewohnern in den USA, breitete sich der Sprechgesang überall in der Welt auf Englisch aus. Doch dann kam 1992 die Stuttgarter Rap-Formation "Die Fantastischen Vier" und machte mit ihrem Hit "Die da!?!" den TeutonenRap salonfähig. 

Seitdem rappt es deutsch. Wenn die Becker- Ex- Freundin Sabrina Setlur singt, dann holpert die Sprache Luthers: "Aber wie blickt 'ne Alte den Dreck wenn se verliebt is' / das gibt es und das is' dein Glück, aber du versiebst es." Aber bei anderen Rappern wie Smudo alias Michael Bernd Schmidt oder dem Bremer Bastian Böttcher gerät die Kritik ins Schwärmen. So urteilte die "Zeit" über den Deutsch-Rap, die deutsche Sprache habe endlich zu ihrer Musik gefunden. 

Welcome in Blabylon galt schon Mitte der neunziger Jahre, als die Modeschöpferin Jil Sander also sprach: "Für meinen Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann." Sander erhielt für solches Kauderwelsch von Sprachschützern einen kritisch gemeinten Preis. Was der Rapper Böttcher dichtet, klingt ähnlich blabylonisch. "Ich der rastlose Wandrer chat im Net / check die Netiquette / hack was aus, browse weiter in die Usenet News- groups/ Cruis' durch F.A.Q's von Jesus, Jusos, Usergroups." 
Das ist der volle Wahnsinn, besitzt aber einen Vorteil gegenüber Sander: die Ironie. 

NICOLE ALEXANDER, NIKOLAUS VON FESTENBERG

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