IEST 68 - BERND WITTHÜSER
(1944 - 2017)

Zur Einstimmung: Ein ganz früher Witthüser  - "Wenn's Arschleder zwickt..." (Text: Thomas Rother)
 miserable Qualität, ziemlich leise, aber ein Zeitdokument. Witthüser singt zusammen mit Kumpels gegen die Zechenstilllegungen

Eine auch noch relativ frühe Aufnahme,aber nach der Zäsur "Songtage". ..  >>>> hier


Bernd Witthüser
 
 

  Geboren am 29. Februar 1944, Volksschule, Fachschule für Elektro-
  technik, Geschäftsführer des Folk- und Jazzclubs Podium in Essen,  
  Geschäftsführer der IEST 68. Singt vor Kumpels und Polizisten, die

  ihn dann stören, vor Demonstranten, mit denen er vorgeladen wird,

  und vor Konzertveranstaltern, die ihm als Strafe für die unstatthaften
  Lieder die Gage vorenthalten wollen. Die Weseler Ausgabe der Neuen
  Ruhr-Zeitung mahnte die Bürger mit der Überschrift: „Wer ihn kennt, 
  warnt vor ihm.“

  Witthüser begann mit Folklore, amerikanischen Folksongs und eigenen
  Villon-Vertonungen, die er mit heiserer Stimme, Gitarre, Banjo, Baß
  und Harmonica vortrug. Zur Zeit arbeitet er verstärkt mit großem Band-
  Arrangement. Seit Herbst 1967 läßt er sich Texte von dem Essener
  Journalisten Rother drechseln. Gesellschaftskritische Arbeiter- und
  Liebeslieder.

  Rother über den Sangeskumpel: „Witthüser ist wohl der erste Sänger,
  der auf Maikundgebungen der Gewerkschaften neue Arbeiterlieder

  sang. In Essen und Bottrop stimmten ihm Tausende zu, als er das
  Lied von der Zechenstillegung sang: „Wir haben den Schweiß unterm
  Arm“.

  In Zechen-Waschkauen sangen spontan Bergleute seine Lieder mit,
  verlangten Texte und Melodien, um sie auswendig zu lernen. Die
  Kumpels sangen diese Lieder sogar nackt unter der Dusche.“ Der
  Refrain eines Kumpelliedes heißt: „Wenns Arschleder zwickt, dann ist
  es bald zu spät, die nackte Haut ist in Gefahr.“ Witthüser singt nicht 
  nur Bergmannslieder, sondern kündet auch von allgemeineren Themen.
  Ein Weihnachtslied berichtet von Vietnam. Die Verklärung der Dirne
  Marie dient dem Frieden. Friedens- und Liebeslieder hört man oft.

  Dazu des Sangesbartes Texter Rother: „Diese Lieder sind auf das
  Denken und Fühlen des Einzelnen bezogen. So heißt es in einem
  der Friedenslieder, daß der Frieden nicht am grünen Tisch beginne,
  sondern am Frühstückstisch, morgens hinter der Zeitung; und, daß er
  unter der Bluse des Mädchens sitze: „Faß rein, fühle nach, es wär
  doch schade, wenn das plötzlich nicht mehr da wär.“ ruk

 



Bernhard Witthüser im www

Nun ist er auch endlich selbst mit 2 blogs im weltweiten web zu bewundern.
(schreibt Walter Westrupp in seinem Blog, )
 und da kotzt er sich nun regelmässig aus:
über sich, über mich (Walter Westrupp),
über w&w, über o&b, über murci und den Rest der Welt.

Also nix wie hin nach Italien:

Witthüser über Witthüser gibts bei:
http://www.witthueser.blog.de 

Witthüser über Bernelli/Barnelli/Bärnelli gibts bei:
http://www.bernelli.blog.de 


     Der "Herr der Essener Songtage" ist tot..

Aber das ist nun alles vorbei: Der "Herr der Essener Songtage" ist tot, gestorben 2017
- ein Nachruf von Walter Westrupp
Mein kurzerr Nachruf im Facebook


https://de.scio.pw/Bernd_Witth%C3%BCser

an old man with his hat on

"Lass uns auf die Reise gehen"

v2006-04-26

Bernd Witthüser:
"Lass uns auf die Reise gehen"

Ein Wiederhören mit Folklegende Bernd Witthüser, der zwischen 1969 und 1972 zusammen mit seinem Partner Westrupp neue deutsche Lieder schrieb, wie sie bis dato unerhört waren. Ihre legendären Platten wie "Trips und Träume" (1970) oder "Bauer Plath" (1972) ebneten Leuten wie Udo Lindenberg bis zu den Toten Hosen den Weg.

Über 30 Jahre mussten vergehen, bis eine deutsche Folk-Legende wieder mit ihren Songs, den neuen und alten, auf Tournee geht. Das Comeback eines Vampirs fällt einem dazu spontan ein. Bernd Witthueser und Walter Westrupp schlossen sich im Juni 1969 zusammen und gründeten das W&W "Pop"-Cabaret. Ihre 1. LP. "Lieder von "Nonnen, Toten und Vampiren" auf dem damals neu gegründeten Ohr-Label. Das dazugehörige Programm war makaber-lustig (sog. schwarzer Humor) mit Texten von Novalis, Heine, Baltus Brösel, Thomas Rother sowie eigenen Texten und eigener Musik, dargebracht mit diversesten akustischen Instrumenten. Für ihr zweites Werk "Trips und Träume", herrliche Reiseberichte, wurde Dieter Dierks am Mischpult gewonnen, und als Produzent agierte der Krautrock- Visionär Rolf-Ulrich Kaiser, unterstützt von Gille Lettmann. Das gleichnamige Programm "T&T" war gespickt mit indischen Märchen und Geschichten von gemeinsamen Trips und Wanderungen durch wundersame Landschaften und wandte sich an "positiv" Ausgeflippte und Raucher. "Der Jesuspilz - Musik vom Evangelium", ihr 3. Album, bescherte ihnen Auftritte in mehr als 100 Kirchen und im Fernsehen. Witthüser & Westrupp erweiterten ihr Instrumentarium um eine Reihe zusätzlicher Instrumente wie: Kazoo, Triangel, Maultrommel, Rumba-Rasseln, Psalter und Kastagnetten. "W und W" gehörten zu den liebenswertesten und originellsten Erscheinungen der bundesdeutschen Pop-Szene. So wie sie waren - etwas versponnen, verträumt, in sich gekehrt -, passten sie in keine Show-Schablone. Bei ihnen stand der Spaß an der eigenen Musik und nicht das Geldverdienen an erster Stelle. Deshalb waren sie auch über den Tournee- und Fernseherfolg ihrer Jesus-Oper nicht einmal besonders glücklich. "Wir hatten keine ruhige Minute mehr" berichteten die gebürtigen Essener, "sobald wir über die Straße gingen, wurden wir von irgendjemand doof angequatscht". Kein Zweifel irgendwie waren W&W Stars geworden, hatten ständige Gastspiele in Berlins Liedermacherkneipen zusammen mit Hannes Wader, Schobert & Black, Insterburg, Ulrich Roski und Reinhard Mey. Es häuften sich die Fernsehauftritte und eine permanente Radiopräsenz in den Hitparaden des SWF & WDR zeugten davon.

Die Zusammenarbeit bei Produktionen mit Ashra Temple, Klaus Schulze, Tangerine Dream, Hölderlin, Bröselmaschine, Emtidi, Wallenstein, Walter Wegmüller und Sergius Golowin verdeutlichen den Stellenwert der W&W damals erreicht hatte. Das war auch der Grund warum Witthüser & Westrupp in der Abgeschiedenheit des kleinen Hunsrückdorfes Dill bei Simmern das Material für ihre 4.LP, die sie ihrem Hausvermieter "Bauer Plath" widmeten, erarbeitete. Das gleichnamige Programm basierte auf deutschen und indischen Märchen, die größten Inspirationen erfuhren W&W durch Tolkiens "Herr der Ringe" und Castanedas Reiseberichte. Auch auf der Lp "Bauer Plath" liest sich die Gästeliste wie das "Who is Who" der damaligen "neuen deutschsprachigen" Musik, der sich die Labels Ohr, Pilz und Kosmische Kuriere verschrieben hatten.

Das alles war 1973 zu Ende, Witthüser ging nach Berlin und anschließend nach Italien und trat seitdem mit einem Geiger als Straßenmusikerduo "Otto und Bernelli" in ganz Europa auf. Anfang der achziger Jahre avancierten ihre alten Lp's unter Poppern plötzlich zu Kultplatten, für die in Second-Hand-Läden bis zu 100 DM bezahlt wurden. Bernd Witthüser, inzwischen 62, hat, nach einem langen Trip als one man band "bernelli", seine alte Gitarre wieder rausgeholt und macht da weiter, wo er seinerzeit aufgehört hat. So spielt er den Prolog aus dem "Faust", macht aus Shakespears Zaubersprüchen eine dämonische Moritat und singt das Beste von Witthüser & Westrupp.

Am 4. August 2017 ist Bernd Witthüser in seiner Wahlheimat Grosseto (Toscana) gestorben. Er sei, sagen seine Freunde, friedlich eingeschlafen.

  Essener Songtage 1968 - Programm          Witthüser und Westrupp