Samy, Ihr Leben ohne leiblichen Vater spielt eine
bedeutende Rolle in Ihren Texten. Sie selbst leben getrennt
von der Mutter Ihres Sohnes Elihja Malik. Versuchen Sie, es besser zu
machen?
Deluxe: Ich lebe ja in derselben
Stadt wie mein Sohn. Das sind völlig andere Voraussetzungen.
Mein Vater ist damals
auf einen anderen Kontinent gegangen. Daraus habe ich viel gelernt, und
ich würde so was nie geschehen lassen. Je
mehr man in die Vaterrolle hineinwächst, desto bedeutender
wird das Thema für einen selbst. Deshalb mache ich
mir
viele Gedanken, wie man eine langfristige Beziehung zu seinem Sohn
hinkriegt.
Zusammen mit dem ehemaligen Basketballpofi Marvin
Willoughby haben Sie den Verein „Crossover”
gegründet.
Was ist dessen Aufgabe?
Deluxe: In den letzten Jahren
habe ich großen Spaß daran gefunden, mich zu
engagieren, zum Beispiel für die Aids-Hilfe.
Damit ich flexibler bin und nicht nur die Ideen anderer umsetzen muss,
habe ich meinen eigenen Verein gegründet. Wir
machen mit „Crossover” Integrationsworkshops in
Schulen, setzen Projekte und Ideen um. (Fängt an zu rappen:)
„Dieses
Land hat mir etwas gegeben / Jetzt will ich etwas
zurückgeben”.
Früher haben Sie über Ihren Hass
gegen Deutschland gerappt. Heute vermissen Sie Nationalstolz bei
den
Deutschen. Wie ist es zu diesem differenzierteren Bild von der
Bundesrepublik gekommen?
Deluxe: Je öfter ich in
Amerika war, desto cooler fand ich diesen Nationalstolz. In Brooklyn
traf ich Schwarze, die wirklich
Opfer des Systems waren. Aber selbst die bezeichnen Amerika noch als
das großartigste Land der Welt. Sie tragen sogar
noch ihren bescheidenen Teil dazu bei und machen nicht den Staat
für ihr Elend verantwortlich. Das war für mich ein
Anstoß,
mal zu gucken, ob Deutschland wirklich so ein Scheißland ist.
Die Bundesregierung hat dazu aufgerufen,
verstärkt die besonderen Qualifikationen und Stärken
von Migranten in
den Blick zu nehmen. Zielt Ihre Arbeit in diese Richtung?
Deluxe: Ich bin zwar ein
dunkelhäutiger Rapper, aber unser Verein setzt sich nicht nur
für Migranten und Ausländer ein.
Oberflächlich kann ich mich in viele Leute hineinversetzen. In
manchen Vierteln mit extrem hohen Ausländeranteilen haben
es
Deutsche genauso schwer wie Ausländer generell in unserer
Gesellschaft.
Der Popstar als leuchtendes Vorbild für die
verirrten Kids, die oft unreflektiert negative Einflüsse
übernehmen –
funktioniert das?
Deluxe: Man kann nicht die ganze
Welt retten, aber ich fühle mich immer gut, wenn ich in
Schulen gehe. Irgendwas nehmen
die Kids davon mit. Im besten Falle geben sie diese Erfahrung weiter.
Ich merke, dass sie sich freuen, wenn man sich Zeit
für
sie nimmt. Außerdem lernen sich die Kids untereinander
kennen. Dabei passiert oft Interessantes. Ich mache mich für
sie nicht
zum Hampelmann, sondern erzähle einfach aus meinem Leben.
Gangster-Rapper stehen im Verruf, in
Kinderköpfen Schäden anzurichten – zu
Recht? Teenager singen und leben
deren Texte teilweise nach...
Deluxe: In den Medien wird es
oft so dargestellt, als würde Hip-Hop die Mittelschichtkinder
auf die Straße treiben. In
Wirklichkeit ist es aber so, dass viele Rapper glauben, sich gerade
durch harte Straßenstorys legitimieren zu müssen.
Ich
bin aber gegen Zensur.
Sind die schwulen- und frauenfeindlichen Texte mancher Rapper nur Dumme-Jungen-Streiche oder echter Hass?
Deluxe: Das, was als frauen- und
schwulenfeindlich abgestempelt wird, ist meist nicht ernst gemeint.
Auch diese Rapper
haben Freundinnen, die sie lieben. Ich selbst bin total cool mit
Schwulen. Ich kenne auch Schwule, die sich selbst
„Schwuchtel” nennen.
Hat sich unser Umgang mit Sprache verändert?
Deluxe: Ja, sogar stark. Wenn
man es richtig transportiert, kann ein Wort wie
„Schwuchtel” sogar einen gewissen Humor
haben. Oft sind es die Medien, die am Negativen festhalten. In den
letzten Jahren gab es auch eine Gegenbewegung, zum
Beispiel F.R. mit „Hip-Hop braucht Abitur”. Aber
dieser Aufhänger ist wahrscheinlich nicht stark genug, um in
die
Süddeutsche Zeitung zu kommen. Die berichten lieber
über Bushido, wenn er mal wieder was Provokantes gesagt hat.
So
wird ein einseitiges Bild von der Hip-Hop-Kultur vermittelt.
Sie engagieren sich auch bei den Brothers Keepers,
einem Zusammenschluss von afrodeutschen Künstlern, die
gegen
Rassismus und Fremdenhass kämpfen. Welche
persönlichen Erfahrungen mit Fremdenhass haben Sie gemacht?
Deluxe: Gerade in
Großstädten begegnet mir nur noch selten offener
Rassismus. Ich müsste aber nur mit dem Auto
eineinhalb
Stunden Richtung Osten fahren. Genau zwischen den Metropolen Hamburg
und Berlin wäre ich in Lebensgefahr. Mit den
Brothers Keepers sind wir dort in die Klassen gegangen, um den Kids zu
zeigen, dass es auch farbige Deutsche gibt.
Die Chance, Neonazis mit musikalischen Projekten zu bekehren, bleibt auch in Zukunft eher gering, oder?
Deluxe: Darum ging es uns auch
gar nicht. Wir sind ja nicht zu Nazi-Ideologen gegangen. Da
saßen bloß Neuntklässler,
teilweise mit Glatze und Springerstiefeln. Wenn man mit ihnen redet,
haben sie überhaupt keine Argumente. Gerade in
solchen
Städten ist es leichter, sich den Stärkeren
zuzuordnen, um kein Opfer zu sein.