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Popgeschichte der 60-er Jahre

1967, Berlin: Der Student Benno Ohnesorg
wird anlässlich des Besuchs des von seinem Volk
gehassten, wegen seiner schönen Frauen (Prinzessin
Soraya, später Prinzessin Farah Diba) aber von der
Regenbogenpresse gehätschelten Schahs von Persien
(Iran) in Berlin von einem Polizisten hinterrücks
erschossen. 
Der Polizist, Herr Kurras, wird freigesprochen:  Er
habe, behauptet das Gericht, in "putativer Notwehr"
gehandelt - auf Deutsch: Er hat geglaubt, der in einen
Hinterhof getriebene und mit dem Rücken zu ihm
stehende Benno Ohnesorg sei eine unmittelbare
Gefahr für Leib und Leben - und da darf man auch
schon mal in den Rücken schießen...

Der unglaubliche Vorfall markiert den Beginn
der
außerparlamentarischen Opposition in
der
Bundesrepublik. 

1967, Berlin: Es ist nicht nur das Jahr 
des „Summer of love“ mit der in San Francisco
aufblühenden, auf Allen Ginsberg zurück-

gehenden Hippiesubkultur, auch für die Pop-
musikkultur bedeutet 1967 eine Zäsur: Das
Ende der Beat-Ära als Epoche der Live-Musik.

Aus Amerika wurden die Diskotheken importiert - 
nun war es nicht mehr notwendig, regionale Bands
aktuelle Hits nachspielen zu lassen. Das junge
Publikum hörte lieber das Original auf Tonträger. 

Die Kosten für einen Diskjockey und die entspre-
chenden Platten oder Bänder waren ohnehin viel
geringer als Gagen, Reisekosten und Unterkunft
für die häufig wechselnden Bands. Was sich bereits
mit den globalen Vermarktungsstrategien der Beatles
angedeutet hatte, wurde nach dem Monterey
International Pop Festival im Juni 1967, wo u.a.
Janis Joplin und Jimi Hendrix ihren internationalen
Durchbruch schafften, mehr als deutlich - 

Pop wurde zum Medienereignis, zum großen Geschäft, die Gagen für internationale Top Acts explodierten. Nach Monterey konnte es sich kein Club mehr leisten Jimi Hendrix oder Cream erneut zu engagieren. Die wachsenden Schwierigkeiten, qualitativ gute Bands, die immer noch für volle Häuser sorgten, buchen zu
 

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können, und die aufblühenden Diskotheken führten nun rasch das Ende der Clubkultur herbei: Fast zeitgleich schlossen der Jaguar Club in Herford und der Star Club in Hamburg im November bzw. Dezember 1970 für immer ihre Pforten. 

Aber auch rein musikalisch war die Popmusik um 1967 in einer Umbruchphase - als Kronzeugen seien noch einmal die Beatles angeführt, die im Juni 1967 ihr epochales Sgt.-Pepper- Album veröffentlichten (Taylor 1987). 


Die phantasievolle und aufwändig gestaltete Plattenhülle von Peter
Blake, surreale Texte und die mit Mitteln moderner Studio-
elektronik gestaltete Musik auf dieser LP sind ein Beleg, wie weit
sich die Band binnen weniger Jahre vom Image der netten, etwas
linkisch wirkenden jungen Männer im „matching-suits-design“ und
ihren einfachenLiedern über Herz, Schmerz und Teenagerleid (,‚I
want to hold your hand“, „She loves you“
etc.) entfernt hatten.

Mit dem weltweiten Erfolg der Liverpooler Band setzte ab ca.
1965 eine Entwicklung ein, in deren Folge es zu vielfältigen
Vermischungen  zwischen Pop (-musik) und anderen Künsten
kam, was zu einer Erweiterung der musikalischen und
literarischen Mittel und des visuellen Erscheinungsbildes von Pop
beitrug. Zwar galt Beat- bzw. Popmusik immer noch als "nicht
künstlerisch“ und "bloß jugendlich";  aber als Mittel, ein Massen-
publikum anzusprechen und ganz real künstlerischen und sozialen
Einfluss zu nehmen, schien Pop den anderen Kunstformen wie
Literatur, Theater und bildender Kunst, die sich an einen kleinen,
elitären Kreis  von Eingeweihten richteten, gleichwohl überlegen.

Während ab Mitte der sechziger Jahre der Einfluss von Bob Dylan
ständig stieg und dazu führte, dass die Poptexte literarisch immer
anspruchsvoller wurden, ließ sich umgekehrt auch ein vermehrtes
Interesse von Dichtern an der Zusammenarbeit mit Popmusikern
feststellen. Bekannte Beispiele waren neben der New Yorker
Politrockband Fugs (1964-69) (Gwerder 1979; Kaiser 1968), die
von den altgedienten Beatmusikern Ed Sanders und Tuli
Kupferberg geleitet wurden, die Gruppe der sog. Mersey-side-
Poets um Adrian Benn, Roger McGough und Brian Patten, die
mit Literatenbands wie Liverpool Scene, Scaffold und Grimms
auftraten.

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Auch der englische Dichter Pete Brown hatte sich bereits in literarischen Kreisen einen Namen gemacht, als er von der Gruppe Cream als Texter engagiert wurde (Londonscene 1969). 

Die Zusammenarbeit zwischen dem kalifornischen Schriftsteller Ken Kesey und der Band Grateful Dead während der Acid Tests 1965/66, einem interaktiven Mixed Media Spektakel aus Performance, Licht- Shows und Rockmusik, ist als Keimzelle der kalifornischen Hippiesubkultur und ihrer besonderen Erscheinungsformen wie Dance Rock Concerts und psychedelischer Posterkunst anzusehen  (Wolle 1991; Perry 1990; Perny 1984; Husslein 1988).
Popmusik wurde nun auch von bereits etablierten Fotografen und bildenden Künstlern als Betätigungsfeld entdeckt. Neben dem bereits erwähnten Peter Blake gestalteten Richard Hamilton und Richard Avedon Plattenhüllen, arbeitete der Conceptkünstler Mark Boyle als Lightshow-Artist für Soft Machine.
Als besonders folgenreich erwies sich das Zusammentreffen Andy Warhols mit Velvet Underground 1965 in New York. 

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Ergebnisse dieser gemeinsamen künstlerischen Arbeit waren die berühmte Bananen-LP (1967), Objektbücher wie das Index- Book oder die Aspen- Box und die Multimediashow Exploding Plastic Inevitable  (Pop Goes Art 1990).
 
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass sich die Popmusik in der kultur-
revolutionär aufgeladenen Stimmung der Jahre 1967/ 68 vom Image  der Beatmusik als bloßer Teenager- Kultur befreite und durch künstlerische
Verfeinerung und technologische Entwicklung neue, auch ältere Publikumsschichten ansprach. Pop war fortan mehr als bloße Unterhaltung - er hatte etwas zu sagen, als Kommentar,  Botschaft, Aufruf in einer politisch-kulturellen Umbruchphase. Sichtbares Zeichen dieser Entwicklung war die Idee, Pop- Festivals zu organisieren.