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Natur und Technik

Kais Umweltbewusstsein ist enorm ausgeprägt.
Nun gut, auch seine Eltern haben sicher ab und zu mal ihre grünlichen Phasen -  Papa zum Beispiel beteuert ständig, dass er sich als nächstes Auto auf jeden Fall eines mit Katalysator kaufen wird, wenn die Emma auf den Ewigen Schrottplätzen gelandet ist (Emma ist ein sieben Jahre alter ‘Passat’), und die Mama kauft schon mal im Bio-Laden, wo alles teurer ist, nur eben wahnsinnig biologisch -  aber so ausgeprägt technik-feindlich wie Kai sind sie nicht: der Papa zum Beispiel weist den Kai ganz reaktionär darauf hin, dass die Playmobilgärtner und -indianer halt auch nur Produkte der chemischen Industrie sind, dass das gleiche für die Legosteine gilt, da geht kein Weg dran vorbei, und dass es ohne die Produkte der Petrochemie (auf dieses Wort ist der Papa besonders stolz..) auch nicht so leicht gewesen wäre, in die Türkei zu fliegen; die Mama behauptet unverfroren, mit herkömmlichen Waschmitteln würde die Wäsche sauberer als mit den teureren Produkten (siehe oben!) aus dem Bioladen; und mit dem Autonarren Jens kann man ohnehin nur sehr begrenzt über Umweltschutz reden; gut, für Radwege ist er allenfalls noch zu gewinnen, aber bei der Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn hört 's nun wirklich auf! Wie soll man denn da noch beweisen, dass die ‘Emma‘ es trotz ihrer 130.000 km noch durchaus - durchaus! - mit einem Ascona oder einem ähnlichen Machwerk aufnehmen kann, das nicht aus dem Hause Volkswagen stammt. (Jens betont ja immer wieder, er sei unheimlich berühmt, weil schließlich die ganze Polizei Passat fährt und man auch sonst immer wieder einen Passat im Fernsehen bewundern kann, und zudem steht ‘Passat‘ sogar im Lexikon, wenn auch unter ‘Winde’…

Wie gesagt, mehr oder weniger umweltbewusst sind sie schon alle, Atomkraftwerke mögen sie überhaupt nicht, für bessere Luft sind sie allemal, und Abfälle werfen sie fast immer in die dafür vorgesehenen Behälter und nur ganz, ganz selten aus dem fahrenden Auto auf die Autobahn (wenn‘s wirklich keiner sieht...); in den Baldeneysee pinkeln sie auch nicht und geben Batterien brav bei den Sammelstellen ab und werfen die leeren Wein-, Whisky- und Essigflaschen in die großen weißen und grünen Container auf dem Marktplatz -  aber all dies sind halt doch nur sehr bürgerliche Verhaltensweisen, aufgeklärt bürgerlich, gewiss, aber doch nicht zu vergleichen mit der Radikalität, die Kai seinen Welt- und Wertvorstellungen zugrunde legt.

Fleisch beispielsweise lehnt er neuerdings entschieden ab (theoretisch zumindest), weil es von Tieren kommt und Tiere nicht für den Menschen getötet werden dürfen. Auch eher lästige Kleintiere zählt er dazu, ja, er scheut sich nicht, den Wert eines Menschen an dessen Verhältnis zur gemeinen Stubenfliege zu messen. Fleisch also sollte man nicht essen - wobei Wiener Schnitzel, Würstchen und Frikadellen ganz offensichtlich nicht als Fleisch anzusehen sind: denn bei deren Verzehr zeigt Kai nicht die geringsten Skrupel. Dagegen lehnt er Rinderbraten, Hühnerbrust, Schweinebauch, Kalbshaxen, kurz, alles, was schon vom Namen her auf seine tierische Herkunft deutet, radikal ab.
„Ich esse nämlich Vegetarier!“, verkündet er eines Morgens, und damit wird es für all diese langhaarigen Müslis und Körnerfresser, Obstheinis und Salatfetischisten höchste Zeit, sich ab und an zumindest mal eine Bratwurst zu gönnen, wollen sie nicht riskieren, in Kais Kochtopf zu landen...

Aber nicht nur im Schweine-, Hühnchen- und Fliegen—, kurz, im Tierschutz erschöpfen sich seine umweltpolitischen Aktivitäten, nein, auch gegen die Technik ganz allgemein bezieht er mutig und kompromisslos Stellung:

“Wenn man Technik macht, zerstört man die Natur!“

Diese These wäre in ihrer Radikalität sicher angreifbar, hätte Kai sie nicht selbst veranschaulicht -  in einer merkwürdig poetischen Geschichte, die er eines Abends dem Papa diktiert hat, als dieser gerade mal keine Hefte oder ähnlichen Unfug zu bearbeiten hatte. Dass es der Geschichte ein wenig an innerer Geschlossenheit gebricht, kann nur mäkelnde Kleingeister stören -  eine solche Geschichte kann man nicht analysieren, die muss man einfach verstehen, auf einer höheren Ebene.

Das Glas an diesem Stein ist von keiner Fabrik - es ist von uns gemacht und von keiner Fabrik
geändert. Von den Fabriken, die die Luft verpesten, sterben wir. Wir brauchen die reine Natur.

Wenn man genau in den Ring blickt, sieht man einen Stern. Der Stern wird immer Glück bringen
für den, der ihn trägt. Wenn man ihn abnimmt, hat man kein Glück mehr. Wenn man auf einer weiten
Reise ist und den Ring abnimmt, schafft man es nicht mehr.

Dieser Ring ist aus gefundenen Granatsteinen gemacht, zu Splittern zerpresst mit der Pfote unseres Tigers.

Der Tiger ist ein Glückstiger, aber mir gefiel es nicht, dass er immer zu dem kam, der in Not war. Manchmal kam er auch bei ganz kleinen Gefahren, wenn man sich selber retten konnte. Das gefiel
mir nicht, denn ich wollte nicht, dass man mich feige nannte. Und so zog ich aus, aber unbemerkt.
Ich habe für die Stadt, in die ich verreisen wollte, eine Kette mitgenommen. Etwas davon aber
machte ich ab, denn ich machte genau unser Schloss ab - es ist ein Andenken, damit ich meinen
Vater nicht vergesse und meine Freunde, die ich früher in dem Saal hatte. Das war die Geschichte
von der Armkette.

Ich habe noch zwei schöne Ketten: in einer hängt eine silberne Hand, und darauf ist ein kleiner blauer Punkt. Manchmal sieht man, dass er glänzt, manchmal auch nicht. Auf der anderen Seite der Hand ist
ein Punkt, ein Kreis und ein Kreuz.

Die andere Kette, die ich trage, hat einen kleinen Kreis. Man kann nicht erkennen, was darauf ist, aber
es soll, wie ich sehen kann, ein Rätsel sein. Das Band meiner Kette trägt ein paar runde Punkte, ein paar schwarze Kreise, einen goldenen Kreis, ein paar zusammengestellte Kreise, die auch golden sein sollen,
und noch ein paar dünne Kreise, die bunt sind.

Das ist die Geschichte von dem Prinzen Kai
.“

Man wird kaum abstreiten können, dass zumindest der Schluss dieser Geschichte nach dem Vorhergegangenen etwas unerwartet kommt...


 Von den Segnungen und Gefahren der Wissenschaft