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Die internationale
Ausschreibung »Wörterwanderung« des Deutschen Sprachrats ist zum
30. September 2006 zu Ende gegangen. »Ausgewanderte Wörter« war eine Ausschreibung des Deutschen Sprachrats, das heißt, der Arbeitsgemeinschaft aus Goethe-Institut, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Gesellschaft für deutsche Sprache und Institut für Deutsche Sprache, in Zusammenarbeit mit Duden als Förderer des deutschen Sprachrats und dem Max Hueber Verlag. Aus den Einsendungen wurde eine Sammlung deutscher Wörter und ihrer Bedeutungen in anderen Sprachen erstellt. Der Deutsche Sprachrat macht die Einsendungen der linguistischen Forschung zugänglich. Das Buch »Ausgewanderte Wörter«, das aus dieser Ausschreibung hervorgeht, ist im Max Hueber Verlag erschienen. Eine Vielzahl von Wörtern wurde eingesandt: Insgesamt weit über 6.000 Wörter deutschen Ursprungs, die in alle Welt »ausgewandert« sind und in anderen Sprachen Aufnahme und eine neue Heimstatt gefunden haben. Die begleitende Publikation »Ausgewanderte Wörter« ist seit dem 6. November 2006 im Handel erhältlich. Die mit diesem Buch vorgelegte Sammlung gewährt aus verschiedenen Blickwinkeln Einblick in die Begegnungen und den Austausch von Menschen und Sprachen und dokumentiert das bunte Abbild einer wahrlich weltweiten Wanderung deutscher Wörter. Der Charme der in dieser Publikation versammelten Beiträge liegt vielleicht aber auch gerade darin, dass sie die Alltagssituationen beschreiben, in denen diese Wörter zur Anwendung kommen. Von den jeweiligen Autorinnen und Autoren oft versehen mit persönlichen Überlegungen und Mutmaßungen zu deren Reiseroute, deren Geschichte und Ursprung. Dabei erheben die Beiträge keinerlei Anspruch auf eine etwaige allgemeine Gültigkeit, sondern verweisen vielfach auf regionale Besonderheiten oder lokale Bezüge bzw. Fundorte. Alle eingereichten Beiträge werden der Sprachforschung zugänglich gemacht und mit Sicherheit dem einen oder anderen Sprachwissenschaftler vergnügte und aufschlussreiche Stunden bescheren. Vielleicht
liegt es schlicht an seiner Auffälligkeit oder an seiner sagenumrankten
Geschichte: Das am häufigsten eingereichte Wort war »Was ist das /
Vasistas« (französisch für Dachfenster, Oberlicht, Türspion),
gefolgt
von Kindergarten,
Butterbrot, kaputt
und Schadenfreude.
In dieser
Aufzählung finden sich auch die beiden großen Sprachräume wieder, aus
denen die meisten »Fundstücke« gemeldet wurden: das Englische und das
Russische. Deutsche Wörter
finden sich daneben aber in fast allen Sprachen der Welt wieder:
Schweden entwickeln »Fingerspitzengefühl«,
Russen geraten in
»Zeitnot« und Nigerianer
fragen sich: »Is das so?«
Ein Butterbrot ist im
Russischen ein belegtes Brot, jedoch
ohne Butter. Gesundheit wird
im Amerikanischen nach einem Nieser statt
"Bless you" gebraucht. Der Begriff „Realpolitik“
ist hierzulande eine eher nüchterne Umschreibung für zweckgerichtetes
Handeln der Politik. In Italien wird der Begriff ebenfalls gebraucht,
steht jedoch für eine wahrhaft gute und lebensnahe Politik, ist also
noch ein Stück positiver besetzt als im Deutschen. Gebräuchlich sein soll „Realpolitik“ in Italien seit
den Zeiten Willi Brandts, der dem Begriff in seiner Nobelpreisrede 1971
eine grundsätzlich neue Bedeutung gab, als er ihn auf die damalige
Friedenspolitik bezog. Unter Bismarck und Kaiser Wilhelm waren damit
eher Bemühungen gemeint, sich durch kleine Eifersüchteleien nicht
eventuelle Bündnispartner für spätere Kriege zu verprellen. Die Verwendung des Begriffs im Italienischen passt
indes auch gut dazu, dass Niccolò Machiavelli mit seinem bekanntesten
Werk „Il principe“ (dt. Der Fürst) als einer der wichtigsten
Befürworter einer solchen Politik gilt. Mit kulinarischen
Begriffen ist es ja oft so eine Sache: Man braucht nur nach Österreich
zu fahren und weiß als Deutscher oft schon gar nicht mehr, was einem
die Speisekarte eigentlich sagen soll. Umso erstaunlicher, dass es im
weit entfernten Chile gut passieren kann, dass einem beim Flanieren das
Wort Kuchen auf den Aushängen
oder Tafeln der Cafés begegnet. Deutsche Auswanderer zog es Mitte des 19. Jahrhunderts
in beträchtlicher Zahl vor allem in den Süden des Lands, und sie
bürgerten dort u. a. diesen Begriff in die Umgangssprache ein. Selbst
die einzelnen Kuchenvarianten haben in ihrer deutschen Form Platz
gefunden. So bietet manche Speisekarte einen echten „Streuselkuchen“
oder sogar „Schwarzwälder Kirsch“. Auch die Qualität soll hervorragend sein – frische,
leckere Backwaren, wie man sie in keinem deutschen Café besser serviert
bekommen würde. Dass sich allerdings dem Vernehmen nach auch die Optik
der Cafés eher an der spießbürgerlichen deutschen Variante orientiert,
ist hoffentlich nur ein Gerücht. Der begeisternde Fußball
der Klinsmann-Elf
führte in Frankreich zu einem neuen ausgewanderten Wort: „la
man(n)schaft“, mal mit zwei, mal mit einem „N“, wurde zur fast
ehrfurchtsvollen Bezeichnung für eine Gruppe von Fußballspielern, die
erstmals seit langem diese Bezeichnung wieder verdiente. «La
Mannschaft, après une défaite face à la Pologne (27-25) dans le
tour préliminaire de ces Mondiaux, déroule depuis lors un jeu
puissant, plaisant et très efficace.» (Libération, 1.2.07) Neben den Wörtern selbst interessierte uns immer auch, was diese Wörter in Ihrer Sprache bedeuten. Denn nicht wenige haben sich weiterentwickelt. So versteht ein Deutscher oft nicht sofort, was zum Beispiel das englische »glitz« (Glanz oder schöner Schein, entwickelt aus dem deutschen Wort »glitzern«) oder das japanische »arubaito« (Studentenjob, entwickelt aus dem deutschen Wort »Arbeit«) in ihrer neuen Sprache bedeuten. Wer sich nun selbst auf die Spurensuche machen möchte, der sollte viel Zeit und festes Schuhwerk mitbringen. Fundorte in Finnland, Portugal, Armenien, Kasachstan, Moldawien, Mexiko, Argentinien, Bolivien, Peru, Uruguay, Nigeria, Kamerun, Gambia, Südafrika, Mauritius, Malaysia, Singapur, Taiwan, Südkorea und Neuseeland seien hier nur stellvertretend für eine von vielen möglichen Reiserouten genannt. Die Einsendungen kamen aus über 70 Ländern bzw. Sprachräumen. Nicht so stolz müssen wir auf unsere Präsenz im
Finnischen sein: Auch
in Finnland gibt es Menschen, die ihren Mitmenschen ungefragt die
eigene Meinung zum Lauf der Welt erläutern und gleichzeitig die
Ansichten anderer Menschen als minderwertig betrachten. In der
Umgangssprache hat sich dafür aber leider das schöne Wort
„besservisseri“
durchgesetzt, das seine Abstammung vom deutschen Besserwisser nicht
verleugnen kann. Es ist ja fast schon
ein Allgemeinplatz, dass
Deutsche weltweit gerne der Besserwisserei bezichtigt werden. Dass sich
diese Sichtweise derart offensichtlich sprachlich manifestiert, dürfte
ziemlich einzigartig und hoffentlich nicht symptomatisch für die
deutsch-finnischen Beziehungen sein. Gewinnerin der Kulturreise nach Berlin wurde übrigens eine Deutsche mit dem Wort "Kaffepaussi" (finnisch für Pause, außer Betrieb). Sie hatte das Wort 2005 auf einer automatisierten Anzeige eines Linienbusses entdeckt, an der sonst das Fahrtziel steht .
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