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Ich über mich | Olympia 1972 |
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Texte |
HEINRICH - HEINE - GYMNASIUM OBERHAUSEN
Das Oberhausener Heinrich-Heine
Gymnasium hieß bei meinem Dienstantritt
als Lehrer (1.6.1968) noch
Staatliches Gymnasium Oberhausen, war eine konservative Schule mit
Latein und Griechisch und einem
Lehrerkollegium aus überwiegend älteren Herren, die
dem
jungen
Referendar schon mal die Leviten lesen
mussten, wenn er es wagte, sich während einer
Freistunde
auf den Stuhl des Herrn Oberstudienrats F.
zu setzen - die Referendare hatten damals nämlich noch einen
eigenen
Raum, eine Art Abstellkammer, in
der sie sich aufhalten sollten, um auf diese Weise den - wie gesagt,
überwiegend älteren - Kollegen ihren Anblick zu ersparen... den Anblick junger Leute mit langen Haaren,
ohne Krawatte, sogar in Cordho-sen oder rotem (!!!) Rollkragenpullover.
"Den Pullover tragen wir nur zu Hause", hieß es in dem schul-internen Leitfaden für Referendare, "in der Schule kleiden wir uns angemessen..." Oh, wie ich dieses einvernehmende "Wir" liebte! Ich trug trotzdem keine Krawatte und weiterhin Rollkragenpullover oder offene Hemden, und da wir ein gutes halbes Dutzend Referendare waren, konnten wir uns auch gegenseitig stützen - denn in einer Anstalt, in der es den Schülern strengsten verboten war, auch nur in das Lehrerzimmer hineinzuschauen, weshalb die Tür auch immer verschlossen bleiben musste, war gegenseitiges Stützen bitter notwendig. ("Schüler dürfen das Lehrerzimmer nicht betreten - es könnte doch sein, dass sie dabei sehen, wie Herr Studienrat K. in seinen Apfel beißt - nicht auszudenken, was das für Auswirkungen auf seine Autorität hätte. Ein Lehrer beißt nicht in einen Apfel,schon gar nicht in jeden, ein Lehrer ist ein Neutrum, omnia humaniora ei absunt - alles Menschliche ist ihm fremd...") |
Das Klima änderte sich allerdings sehr bald, als mein alter Bio- und Physiklehrer Karlheinz Kuhs (eine Zeit lang Bürgermeister von Essen in den Zeiten der SPD/ F.D.P.-Koalition, bis zu seinem Tod am 8.11.2008 Ehrenvorsitzender der Essener F.D.P.) mein Schulleiter wurde - sein liberaler Geist breitete sich allmählich aus. Wie er Liberalismus verstand, wurde unmittelbar einsichtig bei der Lösung des Dauerproblems "Toiletten": Schüler hatten aus Mutwillen eine Toilettentür herausgerissen. Herr Kuhs zog daraus den Schluss: "Die Schüler sind im Zuge der Ereignisse von 1968 gegen jede Heimlichtuerei, für absolute Offenheit - sie wollen ganz offensichtlich öffentlich scheißen" - und ließ alle Toilettentüren herausnehmen... Heute heißt das Staatliche Gymnasium Oberhausen "Heinrich-Heine Gymnasium" - die Wahl dieses Namens zeigt überdeutlich, wie sehr sich das Klima gewandelt hat - , ist durch die Fusion mit dem ehemaligen Novalis-Gymnasium eine recht große Schule geworden und hat eine Reihe von erfolgreichen Schülern hervorgebracht. |
Sehr bekannt wurde der - viel zu früh verstorbene -
Filmemacher und Regisseur
Christoph Schlingensief-
den ich allerdings nur aus kurzten Gesprächen auf dem Flur kannte.
Viel später habe ich erfahren, dass er 1977 seinen wahrscheinlich
ersten Spielfilm mit Schülern des "Heine", verstärkt durch
den Kunstlehrer Dieter Hermann, gedreht hat: "Das Geheimnis des Grafen Kaunitz". Eine ganze Reihe meiner eigenen Schüler hat es durchaus weit gebracht: Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten, Zahnärzte usw. - die ganze Skala der gehobenen Berufe wird abgedeckt, sogar Lehrer sind dabei... Mein letzter Klassensprecher Michael Groschek ... und Jesco Winter, Lufthansa-Flugkapitän von 1981 bis 2014 ist der einzige Mensch, bei dem ich es gewagt habe, als Sozius auf dem Motorrad mitzufahren. |
Christoph Schlingensief |