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von Christoph Zehendner

 Deine Sprache verrät dich. Ob du besonders clever, besonders cool oder besonders locker sein willst. Ob du dich eher an Schauspielern, Fußballern oder Popstars orientierst. Ob du eher nach rechts oder nach links tendierst oder dir Politik völlig egal ist. All das und noch mehr kann ein genauer Zuhörer schnell herausfinden - auch wenn du eigentlich über ganz andere Themen gesprochen, gelabert, geblubbert, getönt, gekreischt, geröhrt, gequengelt oder rumgesülzt hast.
  • Sage mir, welche Ausdrücke du verwendest und ich sage dir, wer du bist.
  • Sage mir, wie du redest und ich sage dir, zu welchen Leuten du gehörst.
  • Sage mir, welche Sprache du sprichst und ich sage dir, wofür du dich interessierst.

Schön, wenn es so einfach wäre. Im Prinzip ahnen wir Eltern, dass die Worte und Lieblingsfloskeln unserer Teenager auf sie zurückschließen lassen. Doch wie sollen wir sie verstehen, wenn sie ein deutsch-englisches Kauderwelsch "abdrücken", sich nur in knappen Andeutungen und Anspielungen ergehen und sich ganz offensichtlich nur innerhalb ihrer Clique von Gleichaltrigen so richtig verständlich machen wollen?

Ein "Lexikon der Jugendsprache" ist da wenig hilfreich - denn wenn es gedruckt ist, ist es schon längst wieder überholt. Sprache entwickelt sich in rasendem Tempo weiter. Als "Außenstehende" kommen wir da schlicht und einfach nicht mit. Jeder Kinohit, jede Talkshow, jede Comedy-Truppe liefert neue Ausdrücke, die in die Sprache unserer Kinder einfließen können. Sprachliche Trendsetter sind so unterschiedliche Gestalten wie Franz Beckenbauer ("Schaun mer mal"), Arnold Schwarzenegger ("Hasta la vista, Baby"), ET ("Nach Hause telefoniern"), Guildo Horn ("Piep, Piep, Piep..."), Rüdiger Hoffmann ("Das kann man so machen - muss man aber nicht...") und unzählige andere.
Viele Jugendliche scheinen sich bei ihren Stars und Idolen wie in einem Steinbruch zu bedienen: Sie klauen Sätze, Ausdrücke, Floskeln und bauen diese dann in ihre eigene Sprache ein. Die Freunde wissen sofort, was gemeint ist, schließlich gehen sie in die gleichen Filme, blättern in den gleichen Zeitschriften, schauen die gleichen Videoclips an und hören die gleichen CDs.

Typisch für die Sprache unter Teenagern ist sicher auch ein starker Hang zu Ironie und Sarkasmus. Distanziert und gespielt emotionslos wird über alles mögliche hergezogen. Gemeint ist oft das Gegenteil von dem, was man eigentlich sagt. "Na Klasse!" sagt einer spöttisch und meint damit "Wie furchtbar!".

Bewusst oder unbewusst - Sprache ist ein wesentlicher Teil der Identität junger Leute (und aller anderen auch...). In dem Maß, in dem man auf der Suche nach sich selbst eine eigene Persönlichkeit entwickelt, verändert sich auch die Sprache. Man grenzt sich ab und bildet gemeinsam mit anderen eine Gruppe von "Eingeweihten". Wer die Sprache beherrscht, gehört dazu, ist voll und ganz akzeptiertes Mitglied der Klasse, der Clique oder des Vereins.
In der Regel haben Teenager kein Interesse daran, dass Eltern ihre "Fachsprache" beherrschen - schließlich sind wir Eltern und "mit denen kann man über bestimmte Dinge einfach nicht reden" (und wenn es ein harmoniebedürftiger Vater oder eine progressive Mutter dann doch einmal versuchen, sorgen ihre Sprösslinge gerne dafür, dass der Versuch ziemlich peinlich endet).

Natürlich: Als Vater stehe ich manchmal ratlos vor diesem Phänomen und frage mich, ob ich komplett den Anschluss verpasst habe. Vermutlich habe ich ihn verpasst - aber ich muss ja auch gar nicht wissen, wie man heutzutage einen Sänger und sein neues Album lobt, ob der "spitze", "geil", "brutal gut", "echt angesagt", "hipp", "voll der Honig", "megacool" oder sonst etwas ist. Wenn ich nicht verstehe, was Teenager meinen, dann lasse ich es eben. Auch aus Tonfall oder Gestik lässt sich auf den Inhalt zurückzuschließen. Oder ich bitte die "Eingeweihten", mir den tieferen Sinn ihrer Sätze zu erklären. Protestieren werde ich nur in einem Fall: Wenn ich den Eindruck habe, mit bestimmten Ausdrücken werden Personen oder Gruppen herabgesetzt, entwürdigt oder gar verletzt.

Im Normalfall aber ist die Entwicklung der Teenie-Sprache simpel notwendiger Teil der Persönlichkeitsentwicklung und ein Durchgangsstadium -- auch wenn ich mich hie und da ausgegrenzt fühle. Von mir aus soll das Gespräch nicht an den unterschiedlichen "Sprachen" scheitern. Und außerdem sagt eine Geste sowieso manchmal mehr als tausend Worte.

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