Startseite
Ich über mich Olympia 1972
Essener Songtage 1968
Veröffentlichungen
Bitte auf  Deutsch!
Verweise ("Links")
Texte 
Gästebuch

Anglizismen im Deutschen - Argumente und Gegenargumente



 
Gefährden Anglizismen die deutsche Sprache? 
Modern Talking auf Pseudo-Englisch 

Von WALTER KRÄMER 

Noch sprechen 100 Millionen Menschen auf der Erde deutsch. Aber viele,  vielleicht sogar die meisten, nur recht widerwillig. Der moderne Modell-Germane joggt, jumpt, trekkt, walkt, skatet oder biket, hat fun und feelings, moods und moments, sorrows und emotions - und scheint vor nichts auf Erden solche Angst zu haben, wie seine eigene Sprache zu benutzen. Deutsch zu sprechen, ist vielen Deutschen ganz offensichtlich lästig oder peinlich. 

Für diese kulturelle Selbstaufgabe gibt es viele vorgeschobene und zwei wahre Gründe. Einige der üblichen Pseudo-Gründe sind: 

1. Wir sollten uns freuen, dass es eine so leicht erlernbare, weltweit verbreitete und allgemein akzeptierte Sprache wie das Englische gibt. 
    (Jawohl! Aber was hat das mit unserem Problem zu tun? Viele Deutsche scheinen zu glauben, das Erlernen des Englischen sei nur durch das Verlernen des Deutschen zu erkaufen.) 

2. Sprache ist immer im Fluss. Wir reden heute ja auch nicht mehr wie die Minnesänger. 
   (Stimmt. Die Frage ist nur, wohin die Sprache fließt.) 

3. Viele technische und wissenschaftliche Neuerungen werden heute mit englischen Namen in den USA geboren. 
    (Na und? Früher hat man dafür eins-zwei-drei ein deutsches Wort erfunden: airplane=Flugzeug, helicopter=Hub-schrauber, assembly line=Fließband usw. Warum sollte das heute nicht mehr möglich sein? Wo bleibt eure vielgerühmte Kreativität, ihr hochbezahlten Werbefuzzis?) 

4. Durch den Einfluss des Englischen wird das Deutsche nicht schlechter, sondern besser, knapper, ausdrucksstärker und präziser. 
(Stimmt nur bedingt. "New" für neu, "user" für Nutzer, "open" für "offen": Wo ist hier ein Gewinn an Kürze und Prägnanz? Viele populäre Anglizismen lassen ganz im Gegenteil die Ausdrucksmöglichkeiten unserer Sprache schrumpfen. Warum noch lange unter «Rede, Stellungnahme, Gutachten, Darlegung, Ansicht, Ansprache, Appell» und anderen Begriffen die passende Benennung suchen, wenn es heute für jedes öffentliche Mundaufmachen den Anglizismus "statement" gibt? Warum noch zwischen Zierde, Gipfel, Prachtstück, Höhepunkt und Glanzlicht schwanken, wenn alle Facetten eines Durchbruchs, Marksteins oder Meilensteines schon mit "highlight" ausreichend beleuchtet sind?) 

Alle diese Argumente können also die Flucht der Deutschen aus ihrer Muttersprache nicht erklären. Denn was ist das anderes als eine Flucht, wenn deutsche Firmen in Deutschland auf Englisch deutsche Kunden suchen, wenn deutsche Parteien auf Englisch deutsche Stimmen fangen, wenn wir Nachrufe für deutsche Bundesbürger in deutschen Zeitungen auf Englisch lesen? 

Dafür sehe ich zwei Gründe; der erste ist international: "Englisch zu reden, ist für manche Berufe der leichteste Weg, sich auf ein hohes Ross zu setzen und allen Nachfragen zu entkommen" (Konrad Adam in der FAZ). Wenn ein Professor der Pädagogik eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen der Klassengröße und der Qualität des Unterrichts mit dem Fazit abschließt, dass der Unterricht in kleinen Klassen im allgemeinen besser sei als der in großen, so kann er diese Trivialität auf deutsch nicht mehr vermarkten, auf englisch aber wohl: "Size matters" ist der Titel dieser Untersuchung. 

Oder anders ausgedrückt: Wer nichts zu sagen hat, sagt es auf Englisch. Durch das Ausweichen aus der von allen verstandenen Muttersprache in eine den meisten nur halb verständliche Fremdsprache sind auch Nichtigkeiten noch als gehaltvolle Gedanken auszugeben, kann man so schön den Mangel an eigenen Gedanken übertünchen, der bei dem Zwang, sich klar und deutlich in der Muttersprache auszudrücken, so offenbar zutage träte. 

Auch das ewige menschliche Streben, mehr zu scheinen als zu sein und unangenehme Dinge nicht beim Namen zu nennen, befördert natürlich das Ausweichen aus der Muttersprache. So wird dann der Aufpasser zum steward, der Hausmeister zum facility manager und die Klobürste zum toilet cleaning set. 

Der zweite Grund für die moderne Anglizismenschwemme beschränkt sich auf die Deutschen und ist ein Ausfluss unserer Geschichte: Viele Deutsche flüchten nicht eigentlich aus unserer Sprache (das ist nur ein Symptom und für die Flüchtenden eher nebensächlich), sie flüchten aus ihrer nationalen Haut als Deutsche. Lieber ein halber Ami als ein ganzer Nazi, man möchte endlich, und sei es auch nur leihweise, zu denen gehören, die in Hollywoodfilmen immer gewinnen, zu den Edlen, Guten und Geliebten dieser Erde. Die Pidgin-Sprache, in der viele Deutsche heute reden, ist eine Art selbstgefertigter Kosmopoliten-Ausweis, den seine Besitzer in der Absicht schwenken, dass man sie nicht für Deutsche halten möge. 

Warum wird so vielen englischen Wörtern so konsequent die Einbürgerung verweigert? Früher hat man aus dem shawl den Schal und aus den cakes den Keks gemacht, aber heute legen gerade die Verfechter der modernen Sprachimporte den größten Wert darauf, dass ebendiese Importe als solche deutlich sichtbar bleiben. In Spanien wird "whiskey" in der Landesssprache "uisqui" ausgeschrieben, aber eher wird ein deutscher Werbetexter seine Stelle aufgeben als ein an deutschen Wortbildungstraditionen angelehntes "Wiski" (oder Pauer für "power") zu benutzen. Dann wären nämlich diese Wörter für ihn auf einmal nicht mehr attraktiv - Wörter, die er nicht deshalb gebraucht, weil sie etwas auszudrücken erlaubten, was auf Deutsch nicht auszudrücken wäre, oder weil sie die deutschen Wörter an Prägnanz und Klarheit überträfen, sondern die er oder sie vor allem deshalb liebt, weil es keine deutschen Wörter sind. 

Es ist vor allem diese "linguistic submissiveness" (so die Londoner Times), die die in Deutschland grassierende Anglizitis zu einer so peinlichen und würdelosen Affäre macht - man fühlt sich angeschleimt und ausländischen Gästen gegenüber oft beschämt ("Bin ich hier in Chicago oder wo?" - Kommentar eines polnischen Gastwissenschaftlers auf dem "airport" Düsseldorf). Und solange wir mit unserer Identität als Deutsche nicht ins Reine kommen, wird auch die deutsche Sprache von ihren aktuellen Leiden nicht genesen. 

Prof. Dr. Walter Krämer lehrt Wirtschafts- und Sozialstatistik an der 
Universität Dortmund. 

©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©©© 
2002
Anglizismen: Kein Grund zur Panikmache -  unverdauliche Wörter werden wieder abgestoßen 

Von DIETER HERBERG

             In: Journalistik Journal, Jg. 4, Nr. 1, 22f.; 2001

Dass die Anglizismen-Debatte aktuell ist, kann an der großen Zahl laufend dazu publizierter Beiträge und Meinungsäußerungen, an den vielen von Sprachvereinen und -gesellschaften organisierten und gut besuchten Diskussionsrunden oder an wissenschaftlichen Konferenzen wie der Jahrestagung 2000 des Instituts für Deutsche Sprache (Mannheim) mit dem Thema "Neues und Fremdes im deutschen Wortschatz" abgelesen werden. Dass sie nicht originell ist und schon vor hundert Jahren die Gemüter erhitzte, belegt etwa eine 1899 von Hermann Dunger veröffentlichte Kampfschrift mit dem Titel "Wider die Engländerei in der deutschen Sprache". 

Bevor auf einige jeweils besondere Aspekte eingegangen wird, die der englische Spracheinfluss im Bereich der Medien und in dem der Werbung hat, seien ein paar Bemerkungen vorausgeschickt, die zur Relativierung und Versachlichung der häufig allzu emotional geführten Debatte beitragen sollen: 

Es gehört zu den normalen Vorgängen, dass natürliche Sprachen im Laufe ihrer Entwicklung Einflüsse von anderen (oft benachbarten) Sprachen aufnehmen und natürlich auch selbst wiederum Einflüsse auf andere Sprachen haben. So war auch das Deutsche nie frei von Außeneinflüssen, sondern hat in seiner Geschichte bestimmte Wörter aus anderen Sprachen - vor allem aus dem Lateinischen, dem Griechi- schen, dem Französischen und dem Englischen - übernommen, sich einverleibt und (in der Regel) auch gut "verdaut". Viele dieser Entlehnungswellen waren begleitet von warnenden Stimmen, die jeweils die Gefahr einer "Überfremdung" der eigenen Sprache beschworen, ja häufig die kulturelle oder nationale "Identität" gefährdet sahen. 
Seit der Zeit der barocken Sprachgesellschaften haben wir es sogar mit organisiertem Sprachpurismus zu tun, d.h. mit dem Bestreben, die Nationalsprache um fast jeden Preis von fremden Spracheinflüssen "rein" zu halten. Besonders fatal war und ist dabei ein oft unüberhörbarer nationalistischer Beiklang. Sprachveränderungen konnten und können aber weder von Organisationen noch durch Verordnungen aufgehalten werden - das gilt auch für die jüngste und uns hier beschäftigende Welle fremdsprachlichen Einflusses durch das Englische. 

Welche Ursachen gibt es nun für diesen anhaltenden und sich sogar noch verstärkenden Einfluss, und hat er vielleicht eine andere Qualität als z.B. die Wortschatzveränderungen früherer Jahrhunderte durch sog. Latinismen oder Romanismen? Im weitesten Sinne ist die Ursache in der Dominanz der USA in vielen Politik- und anderen Lebensbereichen zu sehen, die nach dem Zweiten Weltkrieg infolge der westlich orientierten Bündnispolitik der Bundesrepublik eine Leit- und Vorbildrolle amerikani- scher Lebensformen insbesondere bei der jüngeren Generation mit sich brachte. Die dynamische Entwicklung von Wissenschaft und Technik in den USA und die damit zusammenhängende Spitzen- stellung der englischen Sprache in der internationalen Kommunikation trugen ein Übriges zur Verstär- kung des englischsprachigen Einflusses auch auf das Deutsche bei. 

In Bezug auf den Wortschatz kann man sagen, dass aus Gründen der Bezeichnungsangemessenheit mit den Gegenständen oder Sachverhalten aus der angloamerikanischen Sphäre in der Regel zugleich auch deren Bezeichnungen übernommen werden. In unserer Zeit global ungeheuer beschleunigter Austauschprozesse kann dann leicht der Eindruck einer ungebremsten Flut solcher Anglizismen entstehen, wobei ihre ständige Präsenz in den weltweit vernetzten (neuen) Medien diesen Eindruck noch verstärkt. 

Im Unterschied zu früheren Jahrhunderten, als Fremdwörter zumeist nur in der Sprache bestimmter sozialer Schichten (z.B. Adlige, Bildungsbürger) vorkamen, betreffen sie heute nahezu die gesamte Bevölkerung. Und das nicht nur in bestimmten Teilen der Welt, sondern global: Englisch ist die erste Sprache überhaupt, die in der ganzen Welt dominant ist, und Anglizismen sind daher häufig zugleich Internationalismen. 

Es ist nicht ganz leicht, einen diesem Befund in möglichst angemessener Weise Rechnung tragenden sprachwissenschaftlichen Standpunkt zu formulieren. Weder Verdammung und Bekämpfung jedweden englischen Spracheinflusses noch kritikloses Öffnen aller möglichen Einfallstore für solchen Einfluss sind gerechtfertigt. Eine realistische Position ist also zwischen "Alarmismus" und "Laisser-faire" zu suchen. Sie zu bestimmen, verlangt eine differenzierende Betrachtung, die hier freilich nur in ihrer Richtung angedeutet werden kann. 

Unsere im Institut für Deutsche Sprache (IDS) vorgenommenen Untersuchungen an Neologismen der Neunzigerjahre haben erbracht, dass von tausend als "kommunikativ relevant" ermittelten Neuwörtern rund 40 Prozent Anglizismen, 40 Prozent deutsche Bildungen und 20 Prozent Hybridbildungen aus einem englischen und einem deutschen Bestandteil (z.B. Eventkultur, Bungeespringen) sind. 

Nahezu alle Lebensbereiche sind mit Anglizismen-Neologismen vertreten, Spitzenplätze halten die Bereiche Computer (z.B. chatten, E-Mail, Internet), Medien (z.B. Daily Soap, Late-Night-Show, zappen), Soziales/ Gesellschaft (z.B. Event, mobben, Ranking), Sport (z.B. biken, Carving, Skates), Wirtschaft (z.B. E-Commerce, Globalplayer, Outsourcing). Für die meisten solcher Anglizismen spricht das o.g. Argument der Bezeichnungsangemessenheit: Anstatt nach einer häufig längeren und umständlicheren deutschen Übersetzung zu suchen, bedient man sich, indem man die Bezeichnungen der Herkunftssprache übernimmt, der Sprachkonvention der fremden Sprache und erreicht so in Bezug auf das Bezeichnete Eindeutigkeit. 

Es wäre also töricht, die Vermeidung von Anglizismen-Internationalismen wie E-Mail, Internet, Globalplayer, Shareholdervalue usw. in den Medien zu fordern, denn ihre Verwendung ist zumeist sachlich gerechtfertigt und unter dem Aspekt der Eindeutigkeit auch geboten. 

Allerdings darf man nicht über die Köpfe derer hinwegreden, an die man sich wendet. Das verlangt, noch nicht allgemein geläufige, aber um der Information willen unerlässliche Anglizismen im Text entsprechend einzuführen, d.h. sie mit einer umschreibenden Bedeutungserläuterung oder zumindest mit einem bedeutungsähnlichen Ausdruck zu versehen. 

Vom verantwortungsbewussten, am sachlichen Erfordernis für die jeweilige journalistische Arbeit orientierten Gebrauch von Anglizismen der geschilderten Art geht keine Gefahr für die deutsche Sprache aus. Auch deshalb nicht, weil natürliche Sprachen "Unverdauliches" und Überflüssiges auch wieder abstoßen, genauer: Wörter, für die kein dauerhafter kommunikativer Bedarf besteht, werden schließlich auch nicht mehr verwendet. 

Anders zu beurteilen ist die unkritische und kalkulierte Verwendung englischen Sprachmaterials, wenn sie Beweggründen wie Imponiersucht, Bildungsprotzerei, Wichtigtuerei entspringt oder Modernität, Weltläufigkeit suggerieren soll. Im Alltag begegnen uns Belege dafür auf Schritt und Tritt, vor allem in der Sprache der Werbung für Produkte (z.B. Moisturizing Cream statt Feuchtigkeitscreme) oder für Dienstleistungen (z. B. Service Point statt Informationszentrum) u.ä. und in der Namengebung bei Geschäften, Restaurants usw. (z.B. Back-Shop statt Bäckerei). Häufig wird auch ein Pseudo-Englisch verwendet, wobei die lediglich effekthascherische Motivation für die Verwendung fremden Sprachmaterials besonders deutlich wird (z.B. Underfashion statt Unterwäsche). 

Wenn auch von solcherart törichtem und überflüssigem Gebrauch des Englischen keine dauerhafte Gefahr für die deutsche Sprache ausgehen dürfte, so ist er doch zu kritisieren, weil er auf Verständlichkeit - möglicherweise kalkuliert - keine Rücksicht nimmt und den Leser/Hörer schlicht "überfährt". Dass man sich gegen Auswüchse erfolgreich wehren kann, beweist die Tatsache, dass die Deutsche Telekom aufgrund von heftigen Protesten ihre Anfang 1998 auf den Telefonrechnungen eingeführten und vielen Menschen unverständlichen Bezeichnungen "CityCall", "RegioCall", "GermanCall" und "GlobalCall" wieder zurückziehen musste und seit Anfang 1999 ausschließlich die verständlichen Bezeichnungen "Cityverbindungen", "Regionalverbindungen", "Deutschlandverbindungen" und "Weltverbindungen" benutzt. 

Während der sachlich gerechtfertigte Gebrauch von Anglizismen (Internationalismen) in medialen Texten nicht zu beanstanden ist, muss der aus Prestige-, Werbe- und ähnlichen Interessen forcierte Gebrauch des Englischen abgelehnt werden, weil er überflüssig ist und die Kommunikation eher behindert als fördert. 

Prof. Dieter Herberg ist Leiter des Projektes Neologismen am Institut 
für Deutsche Sprache in Mannheim. E-Mail-Adresse: herberg@ids-Mannheim.de

Weitere Argumente für die deutsche Sprache