Sonntag,
11. September 2005
An alle
meine amerikanischen Mitbürger, die George W. Bush gewählt
haben
An diesem
vierten Jahrestag des 11. September möchte ich gerne wissen: Wie
fühlt man sich
so?
Wie fühlt man sich, wenn man weiß, dass
der Mann, den man gewählt
hat, damit er uns führt, wenn wir angegriffen werden, einen Typen
zum Leiter
der FEMA, der Heimwehr gemacht hat, der sich dafür vor allem
dadurch
qualifiziert hat, dass er Pferdeshows veranstaltete?
Ja, es
stimmt – Pferdeshows!
Ich möchte
das wirklich wissen – und ich frage euch das ganz offen und mit allem
nötigen
Respekt: Wie fühlt ihr euch angesichts der offenen Missachtung,
die Mr. Bush
für die Frage eurer Sicherheit zeigt? Los, gebt mir eine ehrliche
Antwort. Fangt
jetzt nicht an zu stänkern und zu behaupten, an der Katastrophe in
New Orleans
sei eine der ärmsten Städte Amerikas selbst schuld. Vergesst
euren Hass auf
Demokraten und Liberale und jeden, der irgendwie Clinton heißt.
Schaut mir nur
ganz einfach in die Augen und sagt mir dann, dass unser Präsident
nach dem
11.9. das Richtige getan hat, als er einen Pferdeshow-Veranstalter zum
Spitzenmann ernannt hat, zu einem, der uns im Fall eines Notstands oder
einer
Katastrophe schützen soll.
Bitte, vergesst einmal euer selbst-aufgeklebtes Etikett eines
Republikaners,
eines Konservativen, eines Wiedergeborenen, eines Kapitalisten, eines
Abnickers, eines Rechten und sprecht einfach als Amerikaner zu mir, auf
jenem
gemeinsamen Boden, den wir alle Amerika nennen.
Sind wir heute sicherer als vor dem 11.9.? Wenn ihr
erfahrt, dass die
Nr. 2 und 3 hinter dem Pferdeshow-Veranstalter null Erfahrung im Umgang
mit
Katastrophen haben, glaubt ihr dann, wir sind jetzt sicherer?
Wenn ihr euch Michael Chertoff anseht, den Vorsitzenden der Homeland
Security,
einen Mann mit sehr geringer Erfahrung in nationalen Sicherheitsfragen
– fühlt
ihr euch dann sicherer?
Wenn
Männer, die niemals Militärdienst geleistet haben und nie
gesehen haben, wie
junge Männer im Kampf sterben, unsere jungen Leute in den Krieg
schicken –
glaubt ihr, dass die wissen, wie man einen Krieg führt? Haben die
eine
Vorstellung davon, was es bedeutet, wenn einem die Beine zerfetzt
werden
- und das wegen einer Bedrohung, die niemals existiert hat? […]
Angesichts des Allzeit-Hochs unserer Staatsschulden,
glaubt ihr da
wirklich, dass es gut war, die Steuern für die Reichen zu senken?
Seid ihr
bereit, die Steuererleichterungen zurückzugeben, damit
Hunderttausende
obdachlos gewordene Menschen in New Orleans wieder ein Dach über
dem Kopf
bekommen können?
Ihr
glaubt an Jesus? Wirklich? Hat er nicht gesagt, dass wir daran gemessen
werden,
was wir dem Geringsten unserer Brüder getan haben? Hurricane
Katrina brach über
uns herein und zerstörte die Fassade einer Nation, die
Freiheit und
Gerechtigkeit für alle garantierte. Der Wind heulte und das Wasser
stieg und
jeden Tag wurde deutlicher, dass die Armen in Amerika leiden und
sterben
dürfen, während der Präsident der Vereinigten Staaten
herumfiedelt und ihnen
sagt, sie sollten doch Kuchen essen.
Das
ist kein Scherz. An dem Tag, als der Hurricane zuschlug und die
Dämme brachen,
stopften Mr. Bush, John McCain und ihre reichen Gesinnungsgenossen sich
mit
Kuchen voll. Einen vollen Tag nach dem Bruch der Dämme (derselben
Dämme, für
die die Mittel zur Instandhaltung gestrichen worden waren), spielte Mr.
Bush
auf einer Gitarre, die irgendein Country-Sänger ihm gegeben hatte
– all das,
während New Orleans versank.
Und es dauerte einen weiteren vollen Tag, bis der Präsident
endlich sich in
seinen Jumbo-Jet setzte und über das Katastrophengebiet flog, aus
dem
Fenster auf das Elend 2.500 Fuß unter sich glotzte und dann
wieder zu seinem
zweiten Wohnsitz in DC flog. Und dann dauerte es noch zwei Tage, ehe
tröpfchenweise Bundeshilfe und Soldaten
ankamen. Nicht sieben Minuten wie damals, als er in Trance sitzen
blieb, während Schulkinder ihm aus “My Pet Goat” vorlasen – es
waren VIER TAGE;
vier Tage, an denen er nichts anderes tat als dem FEMA Direktor Michael
Brown
zu sagen: „Brownie, du machst einen tollen
Job!“
Meine
republikanischen Freunde, macht es euch nichts aus, dass wir inzwischen
zur
Lachnummer der ganzen Welt geworden sind?
Und glaubt ihr, dass wir an diesem heiligen Gedenktag diejenigen ehren,
die am
11.9.2001 gestorben sind, oder dass wir ihnen Schande machen? Wenn wir
nichts
gelernt haben und heute genauso unvorbereitet und verwundbar sind, wie
wir es
an jenem hellen, sonnigen Morgen waren, sind dann die 3000 umsonst
gestorben?
Unsere Verwundbarkeit rührt nicht vom Terrorismus oder
Naturkatastrophen
her – wir sind verwundbar, weil wir es zulassen, dass jeder achte
Amerikaner in
furchtbarer Armut lebt. Wir nehmen ein Schulsystem hin, in dem jedes
sechste
Kind die Schule ohne Abschluss verlässt, und von denen, die einen
Abschluss
bekommen, sind die meisten nicht in der Lage, einen
zusammenhängenden Satz zu
formulieren. Die Mittelklasse kann die Kreditzinsen oder
Krankenhausrechnungen
nicht mehr bezahlen und 45 Millionen haben keinerlei
Krankenversicherung.
Sind wir sicher? Fühlt ihr euch
wirklich sicher? Ihr
könnt noch so weit wegziehen und noch so hohe Zäune um euer
Eigentum bauen –
irgendwann wird die Frucht dessen, was ihr gesät habt, durch eure
Wände brechen
und Rechenschaft von euch fordern. Wollt ihr wirklich warten, bis das
passiert?
Oder hofft
ihr, dass das Problem sich irgendwie von selber lösen wird, wenn
ihr sie nur
lange genug sich selbst überlasst, bis sie sich gegenseitig
besudeln und
erschießen und in den Dreck hinunterziehen, der die Straßen
füllt?
Ich weiß,
dass ihr es besser wisst. Ihr habt dem Lande und der Welt einen Mann
gegeben,
der für den Job nicht geeignet war und der vor allem eines tut:
Leuten Aufgaben
zu geben, für die sie nicht geeignet sind. Ihr habt das
angerichtet – ihr habt
es uns getan, der Welt, den Menschen in New Orleans. Bitte bringt es
wieder in
Ordnung. Bush gehört euch. Und ihr wisst, dass das um unseres
Friedens und
unserer Sicherheit willen korrigiert werden muss. Was schlagt ihr vor?
Ich habe eine Idee. Und es ist keine Pferdeshow.
Euer
Michael Moore
Michael Moore
Original:
www.michaelmoore.com
mmflint@aol.com
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