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Der Gangster und seine Themen
Die Zeiten ändern sich schnell im deutschsprachigen HipHop. Es ist gerade mal fünf Jahre her, dass Kool Savas mit seinen zischend inszenierten Polter-Reimen schockte, der Bösewicht des Genres war, so etwas wie der erste Gangster-Rapper.

Von Jochen Overbeck

Aus dem Ghetto ins Gr?ne: Kool Savas lebt jetzt in Heidelberg.
Aus dem Ghetto ins Grüne: Kool Savas lebt jetzt in Heidelberg.
© Optik Records

Doch in den letzten Jahren hat sich viel getan. Savas machte vor allem mit einem medienwirksam inszenierten Beef von sich reden: Er zerstritt sich mit Ex-Protregée Eko Fresh, was einen im Internet ausgetragenen Streit zwischen einer ganzen Anzahl von Deutsch-Rappern nach sich zog. Was Veröffentlichungen anging, schockten andere: Sido, Bushido, Fler, Massiv, K.I.Z. - all das passierte in den letzten fünf Jahren. Dass Kool Savas aber längst noch nicht auf dem Abstellgleis ist, zeigt "Tot oder lebendig", sein neues Studioalbum.
Seit dem 14. Lebensjahr im HipHop daheim: Kool Savas.
Seit dem 14. Lebensjahr im HipHop daheim: Kool Savas.
© Optik Records
Dein Debüt "Der beste Tag meines Lebens" erschien vor etwa fünf Jahren - warum hat das mit dem Nachfolger so lange gedauert?
Kool Savas: Ich dachte ehrlich gesagt in den letzten Jahren gar nicht so viel über ein neues Solo-Album nach - weil ich einfach mit so vielen anderen Leuten zusammenarbeitete, dass dafür gar keine Zeit blieb, weil ich immer gut beschäftigt war.
Das kam dann einfach so, ohne bewusste Entscheidung. Irgendwann kristallisierte sich heraus, dass ich Bock hätte, wieder mehr alleine zu machen. Ich hatte 'ne Menge Beats und fing dann einfach an. Ich buchte einen Engineer und arbeite dann etwa sieben Monate lang intensiv an der Platte.

Was war Dir bei dem Album wichtig?
Der Anspruch, den ich mir selber stellte, war erst einmal der, eine Platte zu machen, die mindestens genau so gut sein sollte wie "Der beste Tag meines Lebens". Es musste etwas Interessantes sein, aber vor allem auch etwas Zeitgemäßes. Eine Platte, die technisch zeigt, wo ich 2007 stehe, die aber auch Songs drauf hat, die die Leute emotional ansprechen.

Welche Songs sind das?

Zum Beispiel "On Top", das ich gemeinsam mit Azad aufnehm. Das ist ein Stück für Leute, die den Mut verloren haben. Das ist besonders ein Song für Jugendliche. Bleibt am Ball, versuche was aus deinem Leben zu machen. Auch wenn's grad nicht so gut läuft, geht es irgendwie weiter. Auch "Krank" ist mir wichtig - weil einfach so vieles in der Welt so abgefuckt ist. Zu viel von diesen thematischen Songs wollte ich da jetzt nicht draufhaben, aber so eine gewisse Balance musste das schon halten ...

Bekannt wurdest Du eher mit Battle-Tracks - ist es für Dich schwieriger, über ernsthafte Themen zu schreiben?
Nein, das spielt keine so große Rolle. Es muss eben eine Sache sein, mit der ich mich identifizieren kann. Wenn ich jetzt etwas Ernsthaftes schreibe, was mit mir nicht viel zu tun hat, kann das eben auch zu gezwungen klingen. Das funktioniert dann überhaupt nicht. Das ist Bullshit, das lasse ich dann lieber weg.

Wie sollte die Platte klingen? Was hattest Du für eine Vorstellung?
Mir und Melbeatz (die Produzentin der Platte, die Red.) war wichtig, dass es ein sehr melodiöses Album wird. Vor allem musste es auch bühnentauglich sein - immerhin sind das die Songs, mit denen ich danach Jahre lang auftreten muss. Deshalb hatten wir auch den Engineer dabei, der auch am Sounddesign feilte. Aber insgesamt war es sehr, sehr frei - wir hatten keinen Masterplan oder so.

Dafür klingt das Album recht geschlossen.
Ein gutes Zeichen, dass Du das sagst. Ich hatte manchmal die Sorge, dass wegen der erwähnten Freiheit in der Arbeit nicht genug roter Faden da wäre, dass alles zu zersplittert klingen würde - weil ja thematisch auch nicht unbedingt Verbindungen zwischen allen Songs erkennbar sind.

Zusammen mit Melbeatz feilte Kool Savas an den Beats f?r seine neue Platte.
Zusammen mit Melbeatz feilte Kool Savas an den Beats für seine neue Platte.
© Optik Records

Die Sache ist ja auch die: Es ist sehr gefährlich, an der zweiten Platte zu arbeiten, weil sie immer am Debüt gemessen wird, man aber völlig anders arbeitet. Damals knallte ich alles drauf, was ich hatte, das ging eben diesmal nicht. Diesmal waren mir Dinge wie das Tracklisting viel wichtiger - da kann man sich auch dran verrückt machen.

Neben Azad und Curse featurest Du Senna von Monrose - wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Mel kennt sie - und irgendwann intensivierte sich der Kontakt. Mel schlug nach zwei Anläufen mit anderen Sängerinnen, die nicht klappten, vor, es mit ihr zu probieren. Und es wurde cool. Da war jetzt kein Business-Gedanke dahinter, auch nicht die Idee, von der Popularität von Monrose zu profitieren. Ich glaube auch nicht, dass das funktionieren würde. Sie steht bei dem Song ja auch nicht groß im Vordergrund.

Was auffällt: Die Sprache ist weniger explizit - ein ganz normaler Prozess der Laufbahn, des Erwachsenwerdens?
Nein, ich glaube nicht, dass das damit zu tun hat. Die Art, wie man denkt und handelt, ändert sich. Aber das ist kein konstanter Prozess, sondern ein momentanes Ding. Battle ist mir gerade halt nicht so wichtig, aber ich kann mir schon vorstellen, dass die nächste Platte wieder mehr knallt. Ich sehe da auch keinen Bruch. Wenn die nächste Platte ein Mixtape wird und ich dann Bock habe, wieder über Sex zu schreiben, dann mache ich das auch. Und wenn ich das Gefühl habe, jemanden mit schlimmen Wörtern titulieren zu müssen, dann mache ich das ebenfalls. Aber es muss nicht unbedingt sein.

Du hattest den Streit mit Eko Fresh - wird man nach so etwas müde, verliert man die Lust am Battle?
Das weiß ich nicht. Es gab ja von meiner Seite auch nur einen Track, "Das Urteil". Mit dem, was danach kam, hatte ich nichts mehr zu tun. Da gibt es auch nichts mehr zu sagen.

Wenn Du hörst, dass Deine Songs von früher jüngere Rapper beinflussen, macht Dich das stolz?
Das kommt darauf an. Wenn ich merke, dass jemand meinen Style so geil findet, dass er ihn kopiert, werde ich schon sauer. Ich komme aus einer Ära, wo das verboten war, wo der Style das Heiligste war. Das verwässert im aktuellen Rap schon ein bisschen. Es wird echt viel nachgemacht. Wenn junge Acts sagen, dass sie mich cool finden, freut es mich aber. Ich bin mittlerweile zehn Jahre älter als viele der Rapper, die gerade draußen sind. Das ist für mich auch faszinierend und erinnert mich einfach an meine Vergangenheit - zum Beispiel daran, wie geil es für mich war, als Kid einen Rapper wie Bogy zu treffen. Den kennen heute nur noch Leute in der Szene, aber er war für mich ein absoluter Held.

Wie alt warst Du, als Du angefangen hast, zu rappen?
Etwa 14 Jahre. Damals war ich zum ersten Mal bei meiner Tante in San Franciso und schrieb die ersten englischsprachigen Texte. Als ich wieder zurückkam, fing ich ernsthaft an. Das war damals alles ganz anders als heute: Als ich dann mit deutschen Texten begann, gab es niemanden, an dem ich mich orientieren konnte. Die einzigen, die auf Deutsch gerappt haben, waren Die Fantastischen Vier, Advanced Chemistry und Fettes Brot. Das fand ich alles fürchterlich - so schuf ich zwangsweise meinen eigentlichen Style. Das ist jetzt mit Sicherheit sehr schwierig.

Bekommst Du viel von der aktuellen Szene in Berlin viel mit?
Nein. Man weiß im Allgemeinen die spektakulärsten Sachen, die so abgehen, und kennt halt die Leute aus dem eigenen Umfeld. Aber ansonsten haben die verschiedenen Szenen hier nicht so viel miteinander zu tun.

Du lebst auch gar nicht mehr in Berlin, sondern in Heldelberg. Warum?
Erst einmal hat es private Gründe - weil ich da jemanden kennenlernte. Und als ich dann zum ersten Mal da war, merkte ich einfach, wie wohl ich mich dort fühle. Es ist da wunderbar ruhig, das erinnert mich auch an meine Kindheit in Aachen. Ich habe das übrigens 2002 schon gerappt: "Irgendwann auf dem Land leben". Ich glaube da auch an so sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Offenbar wollte ich das irgendwie, und dann passiert das eben. Aber ich bin dauernd in Berlin - den ganzen Großstadtflavour, den Stress und Lärm, den bekomme ich schon noch mit.

© teleschau - der mediendienst GmbH

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