Von Jochen Overbeck
Kool Savas: Ich dachte ehrlich gesagt in den letzten Jahren gar nicht so viel über ein neues Solo-Album nach - weil ich einfach mit so vielen anderen Leuten zusammenarbeitete, dass dafür gar keine Zeit blieb, weil ich immer gut beschäftigt war.
Das kam dann einfach so, ohne bewusste Entscheidung. Irgendwann kristallisierte sich heraus, dass ich Bock hätte, wieder mehr alleine zu machen. Ich hatte 'ne Menge Beats und fing dann einfach an. Ich buchte einen Engineer und arbeite dann etwa sieben Monate lang intensiv an der Platte.
Was war Dir bei dem Album wichtig?
Der Anspruch,
den ich mir selber stellte, war erst einmal der, eine Platte zu machen,
die mindestens genau so gut sein sollte wie "Der beste Tag meines
Lebens". Es musste etwas Interessantes sein, aber vor allem auch etwas
Zeitgemäßes. Eine Platte, die technisch zeigt, wo ich 2007
stehe, die
aber auch Songs drauf hat, die die Leute emotional ansprechen.
Zum Beispiel "On Top", das ich gemeinsam mit Azad aufnehm. Das ist ein Stück für Leute, die den Mut verloren haben. Das ist besonders ein Song für Jugendliche. Bleibt am Ball, versuche was aus deinem Leben zu machen. Auch wenn's grad nicht so gut läuft, geht es irgendwie weiter. Auch "Krank" ist mir wichtig - weil einfach so vieles in der Welt so abgefuckt ist. Zu viel von diesen thematischen Songs wollte ich da jetzt nicht draufhaben, aber so eine gewisse Balance musste das schon halten ...
Bekannt wurdest Du eher mit
Battle-Tracks - ist es für Dich schwieriger, über ernsthafte
Themen zu schreiben?
Nein,
das spielt keine so große Rolle. Es muss eben eine Sache sein,
mit der
ich mich identifizieren kann. Wenn ich jetzt etwas Ernsthaftes
schreibe, was mit mir nicht viel zu tun hat, kann das eben auch zu
gezwungen klingen. Das funktioniert dann überhaupt nicht. Das ist
Bullshit, das lasse ich dann lieber weg.
Wie sollte die Platte klingen? Was
hattest Du für eine Vorstellung?
Mir
und Melbeatz (die Produzentin der Platte, die Red.) war wichtig, dass
es ein sehr melodiöses Album wird. Vor allem musste es auch
bühnentauglich sein - immerhin sind das die Songs, mit denen ich
danach
Jahre lang auftreten muss. Deshalb hatten wir auch den Engineer dabei,
der auch am Sounddesign feilte. Aber insgesamt war es sehr, sehr frei -
wir hatten keinen Masterplan oder so.
Dafür klingt das Album recht
geschlossen.
Ein
gutes Zeichen, dass Du das sagst. Ich hatte manchmal die Sorge, dass
wegen der erwähnten Freiheit in der Arbeit nicht genug roter Faden
da
wäre, dass alles zu zersplittert klingen würde - weil ja
thematisch
auch nicht unbedingt Verbindungen zwischen allen Songs erkennbar sind.
Die Sache ist ja auch die: Es ist sehr gefährlich, an der zweiten Platte zu arbeiten, weil sie immer am Debüt gemessen wird, man aber völlig anders arbeitet. Damals knallte ich alles drauf, was ich hatte, das ging eben diesmal nicht. Diesmal waren mir Dinge wie das Tracklisting viel wichtiger - da kann man sich auch dran verrückt machen.
Neben Azad und Curse featurest Du Senna
von Monrose - wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Mel
kennt sie - und irgendwann intensivierte sich der Kontakt. Mel schlug
nach zwei Anläufen mit anderen Sängerinnen, die nicht
klappten, vor, es
mit ihr zu probieren. Und es wurde cool. Da war jetzt kein
Business-Gedanke dahinter, auch nicht die Idee, von der
Popularität von
Monrose zu profitieren. Ich glaube auch nicht, dass das funktionieren
würde. Sie steht bei dem Song ja auch nicht groß im
Vordergrund.
Was auffällt: Die Sprache ist
weniger explizit - ein ganz normaler Prozess der Laufbahn, des
Erwachsenwerdens?
Nein,
ich glaube nicht, dass das damit zu tun hat. Die Art, wie man denkt und
handelt, ändert sich. Aber das ist kein konstanter Prozess,
sondern ein
momentanes Ding. Battle ist mir gerade halt nicht so wichtig, aber ich
kann mir schon vorstellen, dass die nächste Platte wieder mehr
knallt.
Ich sehe da auch keinen Bruch. Wenn die nächste Platte ein Mixtape
wird
und ich dann Bock habe, wieder über Sex zu schreiben, dann mache
ich
das auch. Und wenn ich das Gefühl habe, jemanden mit schlimmen
Wörtern
titulieren zu müssen, dann mache ich das ebenfalls. Aber es muss
nicht
unbedingt sein.
Du hattest den Streit mit Eko Fresh -
wird man nach so etwas müde, verliert man die Lust am Battle?
Das
weiß ich nicht. Es gab ja von meiner Seite auch nur einen Track,
"Das
Urteil". Mit dem, was danach kam, hatte ich nichts mehr zu tun. Da gibt
es auch nichts mehr zu sagen.
Wenn Du hörst, dass Deine Songs von
früher jüngere Rapper beinflussen, macht Dich das stolz?
Das
kommt darauf an. Wenn ich merke, dass jemand meinen Style so geil
findet, dass er ihn kopiert, werde ich schon sauer. Ich komme aus einer
Ära, wo das verboten war, wo der Style das Heiligste war. Das
verwässert im aktuellen Rap schon ein bisschen. Es wird echt viel
nachgemacht. Wenn junge Acts sagen, dass sie mich cool finden, freut es
mich aber. Ich bin mittlerweile zehn Jahre älter als viele der
Rapper,
die gerade draußen sind. Das ist für mich auch faszinierend
und
erinnert mich einfach an meine Vergangenheit - zum Beispiel daran, wie
geil es für mich war, als Kid einen Rapper wie Bogy zu treffen.
Den
kennen heute nur noch Leute in der Szene, aber er war für mich ein
absoluter Held.
Wie alt warst Du, als Du angefangen
hast, zu rappen?
Etwa
14 Jahre. Damals war ich zum ersten Mal bei meiner Tante in San
Franciso und schrieb die ersten englischsprachigen Texte. Als ich
wieder zurückkam, fing ich ernsthaft an. Das war damals alles ganz
anders als heute: Als ich dann mit deutschen Texten begann, gab es
niemanden, an dem ich mich orientieren konnte. Die einzigen, die auf
Deutsch gerappt haben, waren Die Fantastischen Vier, Advanced Chemistry
und Fettes Brot. Das fand ich alles fürchterlich - so schuf ich
zwangsweise meinen eigentlichen Style. Das ist jetzt mit Sicherheit
sehr schwierig.
Bekommst Du viel von der aktuellen Szene
in Berlin viel mit?
Nein.
Man weiß im Allgemeinen die spektakulärsten Sachen, die so
abgehen, und
kennt halt die Leute aus dem eigenen Umfeld. Aber ansonsten haben die
verschiedenen Szenen hier nicht so viel miteinander zu tun.
Du lebst auch gar nicht mehr in Berlin,
sondern in Heldelberg. Warum?
Erst
einmal hat es private Gründe - weil ich da jemanden kennenlernte.
Und
als ich dann zum ersten Mal da war, merkte ich einfach, wie wohl ich
mich dort fühle. Es ist da wunderbar ruhig, das erinnert mich auch
an
meine Kindheit in Aachen. Ich habe das übrigens 2002 schon
gerappt:
"Irgendwann auf dem Land leben". Ich glaube da auch an so sich selbst
erfüllende Prophezeiungen. Offenbar wollte ich das irgendwie, und
dann
passiert das eben. Aber ich bin dauernd in Berlin - den ganzen
Großstadtflavour, den Stress und Lärm, den bekomme ich schon
noch mit.
© teleschau - der mediendienst GmbH
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